Hausbesuch in Stuttgart Wie zwei Gestalter auf 290 Quadratmetern wohnen

Die Wohnung mit dem Titel „Maisonette P155“ wurde schon mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem 2017 mit dem if Design Award. Das Treppenzimmer wird auch „Dschungelzimmer“ genannt: Es ist der Übergang zum zweiten Stock der Wohnung Foto: Eric Laignel

Aus unserem Plus-Archiv: Wenn ein Architekt und ein Textildesigner ihren Traum vom Wohnen verwirklichen, ist das Ergebnis eine ganz individuelle Collage aus Erinnerungsstücken.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Stuttgart - Da steht man in diesem überdimensionalen Flur, der an eine Galerie erinnert und einen flugs hineinkatapultiert in die ganz private Welt der Besitzer. Auf der sechs Meter langen Holzbank, importiert aus Indien, stapeln sich Bildbände, es gibt Fotografien, Textilien und Masken an den Wänden. Schon hier im einladenden, konisch zulaufenden Eingangsbereich beginnt die Wunderkammer, die sich auf zwei Ebenen und über 290 Quadratmeter erstreckt. „Das ist kein Showroom, sondern eben unser ganz persönliches Zuhause“, sagt Peter Ippolito. „Das sind alles unsere Geschichten.“ Wer die Wohnung betritt, ist bass erstaunt, weil alles so viel ist. Man kann viel entdecken in dieser überraschenden Wohnwelt. „Wir haben gerne Dinge um uns herum, die uns Freude machen und die uns etwas erzählen“, erklärt der Wohnungseigentümer Ippolito.

 

Peter Ippolito, Geschäftsführer des Stuttgarter Architektur- und Gestaltungsbüros Ippolito Fleitz Group, und Textildesigner Stefan Gabel kamen zufällig an dieses Schmuckstück. Ihre Bücher brauchten Platz, viel Platz. Das Paar wohnte nur ein paar Straßen weiter, schon seit 15 Jahren und irgendwann waren die Räume voll – mit Büchern, Kunst und Erinnerungsstücken. So haben die beiden ein bisschen nach Wohnungen geschaut und schon war da der Glücksgriff. Die Wohnung, verkehrsgünstig am Stuttgarter Innenstadtrand gelegen, ist hell, zu einer Seite geht der Blicks stets ins Grüne, auf der anderen in die Stadt.

Alle Türen stehen offen, auch zum Bad

In dem Eckhaus aus dem Jahr 1905 haben Ippolito und sein Lebensgefährte Stefan Gabel ihren Traum vom Wohnen verwirklicht, ein ganz freier Mix – mit Kunst, Designobjekten, selbst entworfenen Objekten und vielen Büchern. Ihre Wohnung erstreckt sich auf zwei Ebenen, der Grundriss ist der eines Tortenstücks. Alle Türen stehen offen, auch zum Bad, das viel mehr Lebensraum als Nasszelle ist. „Wir haben versucht, jedem Raum eine eigene Stimmung zu geben“, erklärt Ippolito. Durchgehend ist das schwarze Parkett, das alles miteinander verbindet – und die Idee der Wunderkammer, dass unterschiedliche Fundstücke, die sie auf Reisen und in der Kunst finden, miteinander kommunizieren.

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Das Gebäude ist innen wie außen denkmalgeschützt. Türen, der Raumzuschnitt, Küchenfliesen, ein Boden mussten erhalten bleiben. Fünf Monate lang wurde renoviert. Für ein Objekt wie dieses ein sehr kurzer Zeitraum. Profis eben. „Man muss Spaß daran haben, mit so einer Bestandsimmobilie umzugehen“, sagt Ippolito, der die Herausforderung spannend fand. Schon vor mehr als 30 Jahren wurden die zwei übereinanderliegenden Wohnungen zusammengeführt. „Das Einrichten miteinander war ganz wunderbar. Wir hätten danach gleich die nächste Wohnung machen können“, sagt Ippolito. „Man kennt sich selbst natürlich sehr viel besser. Für einen Kunden schaue ich hinter die Kulissen und muss verstehen, was ihn antreibt. Das ist der spannende Moment.“ Dann beginnt die Arbeit, dass man weitergeht – und eben nicht die Bilderkataloge erfüllt, die die Menschen schon im Kopf haben. „Und eine Wohnung ändert sich ständig. Das Ideal gibt es nicht. Das perfekte Setting ist eine Illusion.“ Ippolito erklärt: „Jeder hat mal in einer Wohnung gewohnt, in der etwas nicht ideal war. Aber oft ist diese eine Ecke das Wertvolle, mit dem man sich lange auseinandersetzen musste.“

Im zitronengelben Fitnessraum verbirgt sich ein Gästebett in der verspiegelten Schrankwand

So war das denkmalgeschützte Gebäude für ihn und seinen Partner eine schöne Herausforderung: „Und wie bekomme ich da etwa ein vernünftiges Bad rein?“ Das ist ein sehr gutes Beispiel, wie hier groß gedacht wurde. Das geräumige Badezimmer hat einen Holzboden, einen Spiegelschrank mitten im Raum, frische Pflanzen in der Vase, hinter einer Tür verbirgt sich ein kleiner Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine und Putzutensilien. Dem Wohnungseigentümer ist das Badezimmer wichtig: „Wir verbringen doch täglich viel Zeit im Bad“, erklärt Ippolito. Er möchte die Räume nicht in ein Ranking packen, welcher ihm der wichtigste ist. „Doch prozentual verbringe ich viel Zeit in diesem Raum, der mir Freude geben soll.“

Hier in der Maisonettewohnung stimmt in jedem Raum jedes Detail und jeder Einbau: Das Ankleidezimmer wirkt durch die verspiegelten Schranktüren sehr geräumig. Im zitronengelben Fitnessraum verbirgt sich ein Gästebett in der verspiegelten Schrankwand. Behutsam ging das Paar bei der Neugestaltung der vielen Räume vor. Erhalten blieb etwa auch der denkmalgeschützte Boden im Übergangszimmer, jetzt kombiniert mit der Dschungeltapete – handgemacht in England –, einem überdimensionalen Pferd aus Indien, einem Makramévorhang der Berliner Künstlerin Marie Laurent sowie einem Kunstwerk aus Porto. In der Küche wurde die Dekorfarbe der historischen Fliesen auf dem Fußboden im Blauton an der Wand wiederaufgenommen – was für ein Glück, dass die beiden Hobbyköche eine Edelstahl-Gastro-Küche vorfanden, die der Vorbesitzer (ein Physikprofessor!) schon eingebaut hatte.

„Diese Wohnung ist unsere Homebase, der Container für all unsere Erinnerungen“

„Wenn es ein Wort geben würde, das diese Wohnung beschreibt, ist es das der Collage“, sagt Ippolito. Er und sein Partner sind sehr viel unterwegs, Gabel arbeitet unter der Woche in Frankfurt. „Diese Wohnung ist unsere Homebase, der Container für all unsere Erinnerungen“, so Ippolito. „Das ist unsere Wunderkammer der letzten 20 Jahre – und wird auch nie fertig werden.“ Das Schlafzimmer ist zugleich Bibliothek. Das hat einen simplen Grund: „Das Wohl und Wehe einer Gründerzeitwohnung ist, dass in jeder Wand eine Tür ist“, sagt Ippolito. Nirgendwo war Platz für ein langes Regal. Hinter den vielen Büchern ist also eine Tür, von der anderen Seite im Flur wird diese von einem großen angelehnten Spiegel versteckt. Gezählt hat Ippolito seine Bücher nie. Kaum zu glauben, dass er eine Phase im Leben hatte, in der er jahrelang in Amerika aus dem Alukoffer lebte. „So schön all die Dinge um mich herum sind, das ist nur Zeug. So schön es ist, es ist nicht wichtig“, sagt Ippolito. Man glaubt es ihm. Erinnerungen bleiben im Gedächtnis.

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