Bei der Aussprache zum Haushaltsentwurf ging es im Gemeinderat der Landeshauptstadt um viel Geld – und um die Haltung in der Flüchtlingsfrage. Die rechtspopulistische AfD bleibt außen vor.

Stuttgart - Eine Distanzierung von der rechtspopulistischen AfD, das Bekenntnis zu humanitärer Hilfe, Kritik am „schlanken“ Etatentwurf von OB Fritz Kuhn (Grüne), die Forderung nach mehr gefördertem Wohnraum sowie mehr Personalstellen haben am Donnerstag die Aussprache über den Haushalt im Stuttgarter Gemeinderat geprägt. 616 Änderungsanträge sind eingegangen. Allein 170 stellt die Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus.

 

Kuhn hatte die Sprecher vorsorglich darauf hingewiesen, in ihren Reden die Deckungsvorschläge nicht zu vergessen. Dazu zählten – nicht mehrheitsfähige – Forderungen nach einem Ausstieg aus S 21 und dem Projekt Rosensteintunnel, der Verzicht auf den Abriss der Rathausgarage und die Modernisierung des Mineralbads Berg. Zusätzliche Einnahmen durch die Erhöhung der Gewerbesteuer (SÖS-Linke-Plus) werden ebenso wenig Chancen eingeräumt wie einer Grundsteuersenkung (CDU, Freie Wähler, FDP).

Mehr als geplante Stellen

Mehrheitsfähig erscheinen dagegen die Schaffung von mindestens 33 weiteren Stellen, zusätzlich zu den mehr als 500 ohnehin geplanten (die meisten für Erzieherinnen in neuen Kitas) und eine millionenschwere Erhöhung des Etats für die Sanierung der verkehrlichen Infrastruktur. Alle Fraktionen sind der Ansicht, mehr für die Sportvereine tun zu müssen, und auch die personalintensiven Kulturbetriebe sollen stärker gefördert werden.

Welche der Wünsche für die Außenstadtbezirke, die vor allem Freie Wähler, SPD und AfD stärken wollen, eine Mehrheit finden, entscheidet sich bis zur dritten Lesung, an deren Ende am 18. Dezember die Verabschiedung des Haushalts mit Ein- und Auszahlungen von je rund drei Milliarden Euro pro Jahr steht. Die Verwaltung plant 250 Millionen Euro Schulden für Investitionen von einer halben Milliarden Euro. Derzeit steht die Stadt mit zwölf Millionen Euro in der Kreide.

Für Bernd Klingler wird es ein ungewohntes Gefühl sein, in den Beratungen weitgehend ignoriert zu werden. Er ist nun aber nicht mehr Chef der FDP, die immer mal wieder Zünglein an der Waage gewesen ist und durch geschicktes Taktieren Mehrheiten für eigene Anträge sicherte, sondern Sprecher der AfD. Alexander Kotz (CDU), Vorsitzender der größten Fraktion, hat die Richtung vorgegeben: Mit Leuten, die gegen Flüchtlinge hetzten, wolle er gar keine Mehrheiten organisieren. Durch die Flüchtlingskrise hat sich der Umgangston im Rat verändert: Kotz hielt es für nötig, Klingler indirekt an dessen Strafbefehl im Zusammenhang mit der Verwendung von Fraktionsmitteln zu erinnern. Klingler wiederum warf Kotz Heuchelei vor, weil er sein E-Fahrzeug vor dem Rathaus parke, es daheim aber gegen einen Sportwagen umtausche. Der AfD-Sprecher räumte dem Flüchtlingsthema die Hälfte seiner Redezeit ein. Erneut sprach er von einer „Invasion von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen“, auf die die Rathausspitze keine Antwort habe. Es sei zu wenig Geld für die Unterbringung von sicher bald mehr als 20 000 Migranten vorgesehen. Die Grünen wandten ihm demonstrativ den Rücken zu.

CDU-Chef Kotz fordert ein neues Konzept zum Wohnungsbau, weil der OB auf Maßnahme „aus der Mottenkiste“ setze. Die Union ist gegen das Zweckentfremdungsgebot. Unter dem Motto „Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit“ führt die CDU den Kampf gegen Feinstaub mit Bäumen und Sträuchern. Sie wünscht sich aber auch eine bessere Straßenanbindung des Gewerbegebiets Tränke in Degerloch und den Ausbau der Nord-/Südstraße in Vaihingen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken.

SPD-Fraktionschef Körner hadert mit dem Wohnungsbau

„Stuttgart steht gut da“, stellte Sprecher Andreas Winter (Grüne) fest. Er will „pflegen, was gut ist“ und reiht sich bei jenen ein, die weiter kräftig das Anlagevermögen sanieren, die B-27-Auffahrt Friedrichswahl abreißen und die Feinstaubbelastung mithilfe grüner Daumen senken wollen.

Ungleich politischer als seine Vorgängerin im Amt agierte der neue SPD-Fraktionschef Martin Körner. Es forderte Haltung ein, es gelte zusammen zu stehen, weil es nicht leichter werde. Körner sagte: „Zu Mitmenschlichkeit gibt es keine Alternative.“ Auch er warf der AfD vor, auf dem Rücken von Flüchtlingen Politik zu machen und fordert mehr Personal für die hauptamtlichen Beschäftigen im Flüchtlingsbereich, um die vielen Ehrenamtlichen zu entlasten. Die Genossen wollen das soziale Engagement in vielen Bereichen ausbauen und dafür sieben Millionen Euro einstellen. Körner hält die Wohnungsbauförderung von OB Kuhn für unzureichend. Er verfolge sogar eine „Abbaustrategie“.

Hannes Rockenbauch (SÖS-Linke-Plus) warf OB Kuhn Versagen auf allen Gebieten vor. Er plädiert für ein kostenloses Mittagessen in der Kita, für kostenlose Einrichtungen und einen kostenlosen Nahverkehr. Die Bürgerbeteiligung bei der Etataufstellung greift für ihn zu kurz. „Soziale Verantwortung“ hat sich die FDP auf die Fahne geschrieben, die Freien Wähler fordern „gewerbefreundlichere Rahmenbedingungen“ und mehr Wohnraum.