Finanzminister Scholz sagt, dass die fetten Jahre vorbei seien. Die Gewerkschaften kontern: Der Staat müsse mit neuen Schulden die Konjunktur ankurbeln können.

Berlin - Deutschland sollte sich nach Auffassung der Gewerkschaften wieder die Option offenhalten, neue Schulden aufzunehmen – und damit gegebenenfalls auf die Eintrübung der Konjunktur und auf die geringeren Zuwächse bei den Steuereinnahmen reagieren. „Die schwarze Null zum Dogma zu erheben, war schon immer eine ideologische Schnapsidee. Jetzt ist es höchste Zeit, sich von ihr zu verabschieden“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Dienstag unserer Zeitung. Er ergänzte: „Angesichts von weltwirtschaftlichen Risiken, dem Brexit oder der Außenwirtschaftspolitik der USA könnte sich schon das Korsett der Schuldenbremse als viel zu eng erweisen, um gegenzusteuern.“

 

Körzell reagierte damit auf die Haushaltsplanungen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für 2020 und die folgenden Jahre. An diesem Mittwoch soll sich das Bundeskabinett damit befassen. Scholz will auch in Zukunft ohne neue Schulden auskommen, also die „schwarze Null“ halten. Dafür sind jedoch beträchtliche Anstrengungen erforderlich, weil die Steuereinnahmen wegen der nachlassenden Konjunktur nicht mehr so sprudeln wie in der Vergangenheit.

USA kritisieren Pläne

Der Bundeshaushalt soll im kommenden Jahr ein Volumen von fast 363 Milliarden Euro haben und laut Finanzplan bis zum Jahr 2023 auf 375 Milliarden Euro steigen. Die Investitionen sollen in den kommenden vier Jahren bei jeweils rund 40 Milliarden Euro eingefroren werden. Teil der Pläne ist auch, dass die Verteidigungsausgaben nicht so stark steigen wie im Rahmen der Nato versprochen: Sie sollen 2020 bei 1,37 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen und bis 2023 auf nur noch 1,25 Prozent zurückgehen. Der Zielwert im Bündnis liegt bei zwei Prozent bis 2024. Deutschland hatte seinen Partnern zugesagt, zumindest 1,5 Prozent zu schaffen.

Der amerikanische Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, übte heftige Kritik an den Plänen. Er sagte: „Dass die Bundesregierung es auch nur in Erwägung zieht, ihre ohnehin schon inakzeptablen Beiträge zur militärischen Einsatzbereitschaft auch noch zu reduzieren, ist ein beunruhigendes Signal Deutschlands an seine 28 Verbündeten.“ Seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump drängen die USA besonders nachdrücklich auf höhere Verteidigungsausgaben ihrer Nato-Partner. In der Bundesregierung heißt es, man fahre bei diesem Thema „auf Sicht“.

Hauptgrund für die geringeren Zuwächse der Staatseinnahmen ist der Umstand, dass die Konjunktur in Deutschland an Schwung verliert. Die „Wirtschaftsweisen“ korrigierten am Dienstag ihre Wachstumsprognose für 2019 um fast die Hälfte auf 0,8 Prozent nach unten. Die Arbeitslosigkeit werde trotzdem weiter zurückgehen, hieß es. Für 2020 erwarten die Experten ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent.