Stuttgart ist fast schuldenfrei, die Steuereinnahmen sprudeln, und die Investitionen bewegen sich in astronomischer Höhe. Mittelfristig sieht der Kämmerer Michael Föll aber große Probleme.

Stuttgart- Der Tabellenzweite Borussia Dortmund empfängt am Freitag in seinem schmucken Stadion den VfB Stuttgart, derzeit Achter der Fußball-Bundesliga. Spielerisch wie finanziell trennen die beiden Vereine gegenwärtig Welten. Exakt umgekehrt sieht der Städtevergleich aus: Betrachtet man die wesentlichen Etat-Kennzahlen der – auf die Einwohner bezogen vergleichbaren – Großstädte, macht sich Dortmund maximal wie ein Drittligist gegenüber der Landeshauptstadt aus, die finanziell in der Champions League zu Hause ist. Stuttgart hat (bei niedrigerem Hebesatz) ein fast doppelt so hohes Gewerbesteueraufkommen. Und es wird folglich viel mehr gebaut und renoviert. Besonders krass: während die Schwaben fast keine Schulden mehr haben, müssen sich die Nordrhein-Westfalen kurzfristig teures Geld leihen, um über die Runden zu kommen.

 

Neue Schulden zu machen, um die alten abzubezahlen – eine solche Liquiditätskrise droht nach Ansicht der Kämmerei aber auch der Landeshauptstadt spätestens in fünf Jahren. Dann würde der sogenannte Überschuss aus dem laufenden Geschäft die Mindesthöhe verfehlen: Für 2018 sehen die Finanzexperten der Stadt den Überschuss bei nur noch 19,9 Millionen Euro – die Tilgung von Krediten beliefe sich dann aber schon auf 25,4 Millionen Euro.

So weit käme es, wenn sich das Verhältnis zwischen (sinkenden oder stagnierenden) Einnahmen und (steigenden) Ausgaben weiter verschlechtert und die Schulden wegen des nötigen Neu- und Umbaus von Schulen und Kitas sowie steigender Sozialkosten (etwa durch die Aufnahme von Flüchtlingen) tatsächlich von 25 auf 490 Millionen steigen würden.

Noch ist Zeit, um gegenzusteuern. Gelegenheit bietet am 11. November die erste Lesung des Haushalts für 2014/2015. Grundlage der Verhandlung sind die von der Verwaltung in den Entwurf aufgenommenen neuen Maßnahmen und Vorhaben – plus jene in 486 Anträgen von den Fraktionen benannten Forderungen.

FDP wirft Föll vor, Stuttgart künstlich arm zu rechnen

Die von den Ämtern auf 810 Millionen Euro bezifferten Investitionen lassen sich laut Plan nur mit Krediten von 150 Millionen Euro für beide Jahre bewerkstelligen. Die von der Gemeindeprüfungsanstalt verhängte Kreditobergrenze von 179 Millionen Euro für 2014/2015 zugrunde gelegt, müssten sich die Fraktionen mit zusätzlichen Ausgaben von je 15 Millionen Euro pro Jahr bescheiden – das bisher Präsentierte kostet allerdings mindestens das Fünffache. Der Katalog reicht von jährlich zusätzlichen 61 000 Euro für die Männerinterventionsstelle bis zur Luxusausbauvariante für das Gazi-Stadion auf der Waldau samt Rasenheizung (eine Million Euro) und den Zentralen Platz (2,2 Millionen Euro). Ein weiteres Beispiel ist der Betriebskostenzuschuss von je fünf Millionen Euro für 2014 und 2015 für das Olgahospital. Dabei hatten Stadt und Klinikum erst 2011 das Ende der Unterstützung vereinbart.

Stadträte wie FDP-Chef Bernd Klingler halten die Auguren der Finanzverwaltung für unverbesserliche Pessimisten, die Gewinne in Rückstellungen bunkerten, statt sie für Investitionen frei zu geben. Es sei in den vergangenen Jahren immer besser gekommen, als der Finanzbürgermeister behauptet habe. Michael Föll, so der Vorwurf, rechne die Stadt künstlich arm.

Dennoch wurden bereits Sparvorschläge unterbreitet, die der Verwaltung allerdings in Teilen untauglich erscheinen. Dazu gehört der von den Grünen geforderte Verkauf der Gäubahnflächen. Erklärungsbedürftig erscheint aber auch die Forderung der CDU, das Jahresergebnis als Grundlage für die Berechnung einer nachträglichen Senkung der Grundsteuer heranzuziehen. Dieser Betrag – 2012 waren es 306 Millionen Euro – darf nicht etwa mit freier Liquidität verwechselt werden, die man als Füllhorn über die Bürger ausschütten kann; er enthält auch die stattliche Summe für jene Projekte, die bereits im Bau, aber noch nicht abgeschlossen sind.

Streit über die Rathausgarage

Finanziellen Spielraum erhoffen sich einige Fraktionen durch die Weigerung, die Rathausgarage zu erneuern. Ein Neubau für rund 40 Millionen Euro war längst beschlossen, um den Hinterhofcharakter zu verändern, allein der Wegfall Dutzender Parkplätze hindert die bürgerlichen Parteien, dieser Maßnahme (und dem damit verbundenen Umzug der Kämmerei) zuzustimmen. Daran ändert bislang auch Fölls Argument nicht, er könne eine Rendite von vier Prozent erzielen. Was zu beachten ist: das Einsparpotenzial beträgt nicht etwa 40 Millionen Euro – in den nächsten beiden Jahren sind für das Projekt nur elf Millionen Euro veranschlagt.

Die Stuttgarter Zeitung begleitet die Haushaltsberatungen bis zu der dritten Lesung und der Etatverabschiedung am 20. Dezember. Zudem wird sie in loser Folge wichtige Aspekte des Fünf-Milliarden-Euro-Doppelhaushalts erklären.