Der Doppelhaushalt für die Jahre 2018 und 2019 der Stadt Stuttgart ist verabschiedet. Der Rekordetat hat einen Umfang von 7,2 Milliarden Euro. Das Investitionsvolumen liegt bei 1,5 Milliarden Euro.

Stuttgart - Der Stuttgarter Gemeinderat ist am Freitag nach bereits 70 Stunden Beratung in die dritte Lesung des Doppelhaushalts 2018/2019 eingestiegen. Der Rekordetat hat einen Umfang von 7,2 Milliarden Euro. Am Abend wird mit einer breiteren Zustimmung als vor zwei Jahren gerechnet. Damals hatten Grüne und CDU ihre knappe Mehrheit genützt, den Etat im Alleingang zu beschließen. Das führte dazu, dass die übrigen Fraktionen den Haushalt ablehnten. Dieses Mal wurden auch die übrigen Fraktionen (außer der AfD) in die Entscheidungen einbezogen. SÖS/Linke-plus bekamen keinen ihrer Anträge durch, allerdings sind Positionen wie ein 365-Euro-Jahresticket für den Nahverkehr oder kostenlose Kita-Gebühren in abgeschwächter Form von der Mehrheit beschlossen worden: Die beiden VVS-Innen-stadtzonen werden zu einer zusammengefasst. Diese Tarifreform kostet die Stadt neun Millionen Euro pro Jahr. Außerdem wird die Einkommensgrenze für die Familiencard von 60 000 auf 70 000 Euro erhöht. Die Berechtigten erhalten einen Zuschuss von 50 Euro pro Monat bei den Kitagebühren. Aufwand: 1,7 Millionen Euro pro Jahr.

 

Das Personal wird vor allem wegen neuer Aufgaben aufgestockt: Von 487 Anträgen auf Stellenschaffungen haben es 322 in die Beratungen geschafft. Der Gemeinderat hat weitere 128 genehmigt, außerdem werden 148 zur Streichung vorgesehene Jobs verlängert. Insgesamt werden 736 Stellen neu geschaffen. Nicht erreicht wurde das Ziel, alle 125 Anträge genehmigt zu bekommen, die wegen Arbeitsüberlastung beantragt wurden.

Freude über die jüngste Steuerschätzung

Stuttgarts Kämmerer Michael Föll (CDU) meinte zu Sitzungsbeginn, der sonnige Morgen spiegele die Finanzlage der Stadt. Seit der Novembersteuerschätzung mit einem weiteren Plus von 40 Millionen Euro jährlich bis 2022 und höheren LBBW-Dividenden von 23 Millionen im Doppelhaushalt wirkte er geradezu euphorisch; außerdem hat er nun doch 25 von jährlich geplanten 26 Millionen Euro seiner umstrittenen Sparliste realisiert. Am Ende seiner Rede ließ er aber doch schwarze Wolken aufziehen und mahnte zur Achtsamkeit: Erkälte sich die Konjunktur, bekomme die Stadt eine Lungenentzündung. Die Ausgaben bewegten sich auf hohem Niveau, der Neubau des Klinikums koste nun auch schon 170 Millionen Euro mehr. Und beschlösse eine neue Bundesregierung eine Einkommenssteuerreform, würde sich das negativ auf den Etat auswirken.

Föll warnte mit Verweis auf jene 182 Millionen Euro, um die der Gemeinderat bereits in den ersten beiden Lesungen den Vorschlag der Verwaltung ergänzt hat, den Bogen am letzten Tag nicht zu überspannen. Zwar kommt er in den nächsten beiden Jahren definitiv ohne Kredite aus, für 2020 hält er aber eine Schuldenaufnahme von mindestens zwölf Millionen Euro für nötig. Allerdings war auch in der jüngeren Vergangenheit stets eine Kreditermächtigung beschlossen worden, ohne dass sie dann benötigt worden wäre. Zudem fielen die Jahresabschlüsse deutlich besser aus als kalkuliert – 2016 lag das Ergebnis um den Faktor 100 über den Erwartungen.

Kalkulation mit Zuversicht

Auf die Kritik am Riesendelta reagierte die Rathausspitze mit einem realistischen Haushaltsentwurf. Auf der Einnahmenseite wies sie mit 690 Millionen Euro pro Jahr 200 Millionen Euro mehr auf als ursprünglich geplant. Er habe eben mit kaufmännischer Zuversicht statt mit kaufmännischer Vorsicht kalkuliert, sagte Föll. Die geplanten Investitionen betragen 770 Millionen Euro. Rechnet man 180 Millionen Euro für Sanierungen hinzu sowie die unerledigten Projekte aus diesem und vergangenen Jahren, dann gilt es nun sogar, 1,5 Milliarden Euro zu verbauen. „Ein einsamer Rekord“, betonte Föll. In den nächsten fünf Jahren kalkuliert er mit Überschüssen zwischen 50 und 70 Millionen Euro. Das sei nicht allzu üppig.

Schwerpunkte setzt OB Fritz Kuhn (Grüne) in den Bereichen Schulen, Kita-Ausbau, Kultur, Bäder, Feuerwehr, Förderung des Wohnungsbaus sowie Umwelt und Verkehr sowie mit den Paketen zur Mobilität, Inklusion, grünen Infrastruktur und Sauberkeit. Dicke Brocken sind der Ergänzungsbau für das Theaterhaus (39,8 Millionen Euro), der Ausbau des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums mit Turnhalle (44 Millionen), der Neubau einer Schule mit Kita und Turnhalle (37,3 Millionen) im Neckarpark sowie das Konzept „Sauberes Stuttgart“ (jährlich zehn Millionen Euro).

Gewinner sind die Kultur und der Sport

Fritz Kuhn sagte, das sei „kein Weiter-so-Haushalt“. Er beschreite neue Wege, bemühe sich etwa um Verkehrsvermeidung und um ein sauberes und sicheres Stuttgart. Die Aktion mit 99 neuen Stellen im Abfallwirtschaftsamt, die allerdings erst in zwei Jahren eingestellt sein werden, sei „ein großer Wurf, kein Klein-Kein“. Der OB sieht die Kultur mit 17,7 Millionen Euro zusätzlicher Förderung als Gewinnerin der Beratungen, auch Feuerwehr und Sport hätten profitiert. Kritisch sieht er die Probleme bei Stuttgart 21, damit verzögere sich der Bau von 7500 Wohnungen. Nun gelte es, andere Möglichkeiten zu suchen, wie eine stärkere Nachverdichtung.