Die Stadt Stuttgart hat im vergangenen Jahr einen Überschuss von 245 Millionen Euro erwirtschaftet, auch 2016 läuft es gut. Der Gemeinderat will nun einen Teil der Mittel investieren. Die Stadt sieht das kritisch.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart hat 2015 mit einem Jahresüberschuss von 245 Millionen Euro ein „respektables Ergebnis“ eingefahren, sagte Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) am Mittwoch im Verwaltungsausschuss. Die geplante Kreditaufnahme von 137 Millionen entfalle 2016 bis auf ein zinsloses Darlehen von 30 Millionen Euro für die Flüchtlingsunterbringung, das man natürlich annehme. Föll warnte vor Risiken, etwa durch einen Eingriff der grün-schwarzen Landesregierung in die kommunale Finanzmasse. Das wäre ein schwerer Fehler, so Föll, der die Stadt 2017 bis zu 30 Millionen Euro kosten könnte.

 

Der zehnmal höher als im Haushaltsplan veranschlagte Gewinn sowie eine freie Liquidität von 358 Millionen Euro - das ist die wichtigste Kennzahl für den Kämmerer – hat die Fraktionssprecher aber „in ein Dilemma gestürzt“ (CDU-Fraktionschef Alexander Kotz und Grünen-Chefin Anna Deparnay-Grunenberg). Einerseits freue man sich, man spüre wegen der wiederholt großen Abweichungen aber auch ein Unbehagen und einen „Rechtfertigungsdruck“. Es sei den Bürgern nicht zu vermitteln, dass in den Etatberatungen viele berechtigte Forderungen nach Investitionen, Leistungen und mehr Personal mit Hinweis auf die prekäre Einnahmensituation abschlägig beschieden würden, diese stelle sich dann ein Jahr später aber plötzlich als glänzend dar.

Der Kämmerer erfindet seine Prognosezahlen nicht

Der Kämmerer verwies auf Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer von 103 Millionen Euro und Zuweisungen vom Land von 113 Millionen Euro. Die Prognosen basieren bei der Gewerbesteuer auf den Voranmeldungen von Unternehmen, die Zuweisungen und Umlagen auf Leitfäden des Landes.

Im Zwischenbericht zur Finanzlage für dieses Jahr schlägt Föll dem Gemeinderat vor, auf die Kreditaufnahme zu verzichten und mit den „flüssigen“ Mitteln die Stadtkasse von 70 Millionen auf 120 Millionen Euro für alle nötigen Auszahlungen zu füllen. Dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung will man 17 Millionen Euro Darlehen gewähren. Außerdem soll der Verzicht auf die geplante Einsparrunde in der Verwaltung bezahlt (29 Millionen) und das Defizit des Klinikums beglichen werden (11,4 Millionen Euro).

Klinikum soll nach ethischen Grundsätzen handeln

An dem durch Geschäfte mit Libyen und Kuwait in die Schlagzeilen geratenen Eigenbetrieb hat Föll kein gutes Haar gelassen. Der Zuschuss sei nötig, weil das Klinikum zwar nicht insolvenzgefährdet, aber auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, das Minus auf dem Konto durch Überschüsse auszugleichen. Maximal eine „schwarze Null“ sei denkbar. Die Fallzahlprognosen der Abteilung für ausländische Privatpatienten seien „sehr, sehr optimistisch“ gewesen und gehörten reduziert. Es müssten künftig auch ethische Grundsätze beachtet werden. Zum Hintergrund: Das Klinikum zahlte für die Vermittlung von Patienten Provisionen, das ist rechtlich zweifelhaft.

Die Fraktionen haben den Jahresabschluss bestätigt und den Zwischenbericht zur Finanzlage mit Fölls Verwendungsvorschlägen zustimmend zur Kenntnis genommen – aber gleichzeitig eigene Vorstellungen zur Verwendung der Mittel entwickelt. CDU-Chef Kotz erinnerte an seinen Vorschlag, die Grundsteuer 2017 „intelligent“ zu senken, auch wenn wegen des zinslosen Kredits die Voraussetzungen formal nicht erfüllt seien. Dafür zeichnet sich aber keine Mehrheit ab, die Grünen betonten, dafür sei die Zeit nicht reif.

SPD fordert einen Nachtragshaushalt

Martin Körner will eher Gebühren senken, so dass Familien mit Kindern entlastet würden. Der SPD-Fraktionschef fordert einen Nachtragshaushalt, bei dem über solche Forderungen gesprochen werden könnte, aber auch über eine zweckgebundene Rücklage für den Abriss der B-27-Rampe Friedrichswahl. Er warf Föll vor, mit dem Rat Katz und Maus zu spielen, in den vergangenen Jahren habe der Haushalt stets viel besser abgeschnitten als prognostiziert. Während die Stadt immer mehr Geld in Aktien und Wertpapieren anlege, vernachlässige sie Kernaufgaben wie den Erhalt von Gebäuden und die Pflege von Grünanlagen. Körner übte auch Selbstkritik: Der Gemeinderat habe mehr Investitionen beschlossen als umgesetzt werden könnten, und das Gremium müsse sich in den Beratungen „selbst ernstnehmen“. Föll erteilte der Forderung nach einem Nachtragshaushalt und einer Sonderrücklage aus rechtlichen Gründen eine Absage.

Der Personalratsvorsitzende Markus Freitag betonte, an der Ergebnisverbesserung seien die Beschäftigen „massiv beteiligt“. Die Stadt erhöhe den Arbeitsdruck massiv und vermeide damit Mehrausgaben für das Personal. Er warnte aber vor den Risiken: so könne etwa im Amt für öffentliche Ordnung längst nicht mehr sorgfältig gearbeitet werden. So würden Baustellen und Veranstaltungen ohne Genehmigung und ohne Kontrolle genehmigt.