Streit ums Geld: Sinkt einmalig die Grundsteuer, oder gibt es eine Kopfprämie, mit der jeder Bürger 50 Euro aus dem Überschuss aus dem Topf von 382 Millionen Euro erhält?

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat im vergangenen Jahr einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet, der jeden Rahmen sprengt. In der Stadtkasse blieben 382,7 Millionen Euro übrig, das sind pro Einwohner 625,67 Euro. Der Überschuss liegt um 151,4 Millionen Euro höher als im Jahr 2016. Zum Vergleich: Der Schuldenstand der Stadt sollte Ende 2017 rund 21,3 Millionen Euro erreichen, also 34,82 Euro je Einwohner. Zur Verwendung des Überschusses gibt es bereits widersprüchliche Ideen. Die Sozialdemokraten im Gemeinderat fordern, jedem Einwohner eine Kopfprämie zu überweisen.

 

Durch den enorm hohen Jahresüberschuss verbesserte sich auch die Liquidität der Stadt. Zum Jahresende 2017 habe sich eine zusätzliche freie Liquidität, also nicht gebundenes Geld, in Höhe von 452,5 Millionen Euro ergeben. Das schreibt Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) an die 60 Stadträte. Als Reserve „zur Sicherstellung laufender Auszahlungen“ hat Föll darüber hinaus noch 120 Millionen Euro verbucht. Der Finanzbürgermeister und OB Fritz Kuhn (Grüne) wollen an diesem Dienstag in einer Pressekonferenz im Rathaus detaillierte Zahlen vorstellen.

Kuhn und Föll präsentieren Zahlen

Was passiert mit dem Überschuss von 382 Millionen Euro? Kuhn und Föll werden nicht nur die nackten Zahlen präsentieren, sondern auch erläutern, wofür das Geld aus ihrer Sicht verwendet werden soll. In einem einzigen Punkt sind sie durch den Gemeinderat bereits gebunden: Die Stadt muss auf der Grundlage eines bald drei Jahre alten Beschlusses einmalig die Grundsteuer senken, und zwar im Jahr 2019 um 100 auf 420 Hebesatzpunkte. Der Rat hatte 2015 auf Antrag der CDU drei Kriterien für die Steuersenkung aufgestellt. Sie alle (positives Jahresergebnis, keine Kreditaufnahme, genügend Liquidität zur Steuersenkung) traten im Haushaltsjahr 2017 ein. „Erstmals sind alle Voraussetzungen für die Senkung der Hebesätze bei der Grundsteuer A und B für das Jahr 2019 erfüllt“, schreibt Föll an die Stadträte.

Durch die Steuersenkung im Jahr 2019 würden Bürger und Betriebe mit Grundbesitz, aber auch Mieter, einmalig um insgesamt 30 Millionen Euro entlastet. 2020 würde die Grundsteuer dann wieder auf das seit 2010 gültige Maß steigen. Würden die drei Kriterien auch in diesem Jahr erfüllt, würde die Senkung 2020 beibehalten.

Grundsteuer 2010 erhöht

Die städtische Grundsteuer war 2010 wegen der angespannten Haushaltslage und eines enormen Investitions- und Sanierungsstaus vor allem bei den Stuttgarter Schulen vom Gemeinderat um 30 Prozent erhöht worden. Weil es in der Folge jedes Jahr Haushaltsüberschüsse zwischen 158 (2014) bis 306 (2012) Millionen Euro gab, wird im Rat darüber gestritten, ob die Erhöhung überhaupt nötig war. Der Haus- und Grundbesitzerverein fordert seit Jahren die Rücknahme.

Die SPD im Rat votiert gegen die Grundsteuersenkung. Die Hälfte der Entlastung von 30 Millionen Euro werde gewerbliche Mieter und Eigentümer treffen, davon wiederum die Hälfte die drei flächenmäßig größten Unternehmen Daimler, Bosch und Porsche. Die schreiben Milliardengewinne.

SPD für Investitionsoffensive

„Wir Sozialdemokraten schlagen als Gegenmodell zur Grundsteuersenkung vor, allen Stuttgarterinnen und Stuttgartern 50 Euro zukommen zu lassen“, sagt Fraktionschef Martin Körner. Dann würden „vor allem Familien mit Kindern und normalem oder geringem Einkommen profitieren. „Das ist gerechter als das schwarz-grüne Modell“, so Körner. Eine Familie mit zwei Kindern würde 200 Euro erhalten, insgesamt würde die SPD-Forderung die Stadt 30,6 Millionen Euro kosten.

Die Liquidität wollen die Genossen für eine Investitionsoffensive nutzen. Der Bedarf sei hoch. So sollten 200 Millionen Euro in die beschlossenen weiteren Neubauten am Klinikum Stuttgart sowie in marode Schulen, Turnhallen und städtischen Bäder fließen. 150 Millionen Euro sehen die Sozialdemokraten für eine Wohnungsoffensive vor. Das Geld solle vor allem für den Kauf von Grundstücken eingesetzt werden. Je 40 Millionen sollen für die Tieferlegung der Bundesstraße 14 in Zuffenhausen mit dem Abriss der Friedrichswahl, den Tunnel entlang der Kulturmeile und die Überdeckelung der Bundesstraße 10 am Neckar angespart werden.