Der Gemeinderat verabschiedet einen defizitären Haushalt. Schuldenaufnahmen werden für die Kommune in den kommenden Jahren immer wahrscheinlicher.

Gerlingen geht schweren Zeiten entgegen. Hohe Investitionen bei weiter fallenden Steuereinnahmen führen in der einst wohlhabenden Strohgäu-Kommune zum zweiten Mal hintereinander zu einem satten Minus in der Haushaltskasse. Auf 4,4 Millionen Euro beziffert die Stadtverwaltung um Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos) den negativen Saldo für das laufende Jahr. Gleichzeitig schmelzen die noch vor kurzem üppigen Liquiditätsreserven rapide ab: Verfügte Gerlingen Ende des vergangenen Jahres noch über ein Finanzpolster von 46 Millionen Euro, werden es Ende dieses Jahres nur noch rund vier Millionen Euro sein. Schuldenaufnahmen werden damit in den kommenden Jahren auch in Gerlingen immer wahrscheinlicher.

 

Gerlinger Standard in Gefahr

Der Gemeinderat hat am Mittwochabend dem defizitären Haushaltsplan 2022 zwar einstimmig zugestimmt. Quer durch die Fraktionen wurde gleichwohl nicht an mahnenden Worten gespart. Thomas Fauser brachte es in seiner Haushaltsrede auf den Punkt: „Unser gewohnter Gerlinger Standard ist nicht nur in Gefahr“, betonte der CDU-Stadtrat, „sondern derzeit nicht mehr zu halten.“ Es seien deshalb „weitere Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung“ notwendig. Ins selbe Horn stieß Barbara Günther von der SPD: „Die finanzielle Lage fordert, dass in den folgenden Zeiten sparsam, wirtschaftlich und vorausschauend agiert werden muss und die Folgekosten immer mit eingeplant werden müssen“, sagte die Stadträtin.

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Annette Höhn-Thye (FDP) sprach von einer „doppelten Herausforderung“ angesichts des Zusammenfallens von einbrechender Gewerbesteuer und laufenden Großprojekten wie der Sanierung der Realschule und dem Bau der Breitwiesen-Sporthalle. „Auch wenn es schwerfällt, müssen wir hier die neuen Realitäten sehen und einen ausgeglichenen Haushalt sicherstellen.“ Nicht als einziger erinnerte Martin Maisch von den Freien Wählern daran, dass die Auswirkungen des Ukrainekriegs noch vollkommen ungewiss seien. „Das beginnt mit enormen Preissteigerungen für Energie und Material, geht weiter mit einer bis jetzt noch nicht absehbaren Flüchtlingssituation und hört mit der Gefahr einer Ausweitung des Krieges nicht auf.“

Realschule und Sporthalle sind Investitionen in die Zukunft

Dennis Uhl (Junge Gerlinger) unterstrich, dass vor diesem Hintergrund „vieles, was wir uns im Haushalt 2022 vorgenommen haben, nochmals überdacht werden muss“. Die Grünen-Stadträtin Ulrike Stegmaier betonte in diesem Zusammenhang, die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass verbindliches Planen immer schwieriger werde.

Doch Stegmaier lobte auch: „Die Ernte der vergangenen fetten Jahre haben wir gut verwendet“, sagte die Stadträtin. Die Sanierung der Realschule und der Bau der Sporthalle seien Investitionen in die Zukunft. Sie kündigte an, dass die Grünen sich künftig „auf finanzierbare Schwerpunktthemen“ fokussieren wollen: nachhaltige Mobilität und Radverkehr sowie mehr bezahlbares Wohnen nannte sie in diesem Zusammenhang.

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Konfliktpotenzial zeichnete sich bei der künftigen Ausgestaltung der kommunalen Kinderbetreuungsgebühren ab. Während ein interfraktionelles Bündnis gestaffelte Gebühren auf Basis des Familieneinkommens forderte, kündigte die CDU im Rahmen der Haushaltsreden bereits jetzt an, sich diesem Anliegen zu verweigern.

Gerlinger werden auch schwierige Zeiten eingestellt

Der CDU-Stadtrat Fauser war es auch, der am Mittwoch beim Thema Sparpotenziale die deutlichsten Signale sendete: „Aufgrund der Haushaltslage muss das Thema Hallenbad dringend auf den Tisch“, forderte Fauser. Die jährlichen Kosten für das Bad beziffert der Stadtrat auf 1,5 Millionen Euro. Die CDU-Fraktion schlug eine Kostendeckelung von einer Million vor. Fauser forderte Kreis, Land und Bund dazu auf, die Kommunen mit Hallenbädern zu unterstützen. Auch bei den Investitionen in die Infrastruktur sieht die CDU in Gerlingen Sparpotenziale: Im Tiefbau – unter anderem für Straßen und Wege zuständig – „müssen wir mittelfristig Tempo herausnehmen“. Ebenso kündigten die Christdemokraten an, neuen Stellen in der Verwaltung nicht zuzustimmen.

Auf schwierige Zeiten stellte auch die SPD-Stadträtin Günther die Gerlinger ein und kündigte „mögliche Erhöhungen von Steuern, Gebühren und Entgelten“ an. „Die Bürgerschaft, das sind wir alle, muss solche Schritte mittragen“, forderte Günther.