Finanzminister Linder stellt das 49-Euro-Ticket in seiner derzeitigen Form in Frage. Wie geht es weiter?

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Kaum ein Projekt der ansonsten recht unbeliebten Ampel-Koalition hat so viele Freunde gefunden wie das Deutschlandticket. Doch im Endspurt um die Haushaltsverhandlungen für das kommende Jahr stellt Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Projekt in seiner gegenwärtigen Form in Frage. Wie steht es um die Zukunft des Deutschlandtickets? Ein Überblick.

 

Warum wird über das Deutschlandticket debattiert?

FDP-Chef Lindner sagte zur Zukunft des Deutschlandtickets: „Irgendwann muss die Politik entscheiden, ob wir eher in die Schiene investieren wollen oder ob der Preis von 49 Euro bleiben soll“, sagte der FDP-Politiker der „Welt am Sonntag“. Entweder man finanziert also neue Strecken und höhere Taktfrequenzen oder der Preis des Fahrscheins wird erhöht. Beides geht nach Ansicht von Lindner nicht. Das sorgte gerade bei Grünen und der SPD für Aufregung. Grundsätzlich will der Finanzminister aber am Deutschlandticket festhalten. Lindner nannte das Angebot einen „Gamechanger“ und sagte zu, dass es bestehen bleibe.

Wie ist die finanzielle Situation beim Deutschlandticket?

Bislang bezuschusste der Bund das Deutschlandticket mit 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, 1,5 Milliarden steuerten die Länder bei. Alle Experten gehen davon aus, dass der Preis des Deutschlandtickets langfristig steigen muss. Denn allein durch Lohnsteigerungen wachsen die Ausgaben der Verkehrsverbünde. Nicht alles können Bund und Länder abfedern. Befürworter des Tickets mahnen allerdings, dass die Steigerungen maßvoll ausfallen müssen. Ansonsten schreckt das Bestands- und potenzielle Neukunden ab.

Was sagt die Opposition?

Ulrich Lange (CSU), stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, kritisierte, wie die Bundesregierung das Geld für die Deutsche Bahn einsetzt. Er sagte dieser Redaktion: „Im Topf für wichtige Projekte wie die Modernisierung der Schieneninfrastruktur klafft ein Loch, weil Verkehrsminister Wissing das Geld unbedingt in ein überbilliges deutschlandweites ÖPNV-Ticket stecken wollte.“ Doch dies mache aus seiner Sicht keinen Sinn, wenn die Schienen marode sind oder Züge erst gar nicht fahren. „Alles gleichzeitig geht finanziell nicht“, sagte Lange. Man brauche klare, durchdachte Prioritäten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wünscht sich eine gänzlich andere Schwerpunktsetzung der Bundesregierung: „Statt dafür zu sorgen, dass die Deutsche Bahn wieder pünktlich fährt, verschwendet diese Regierung unser Geld im Ukraine-Krieg“, sagte Jessica Tatti, Parlamentarische Geschäftsführerin der BSW-Gruppe im Bundestag.

Welche Vorschläge für die Finanzierung der Bahn gibt es?

Wer noch einen Zweifel daran hatte, wie es um die Deutsche Bahn bestellt ist, sollte die Berichte ausländischer Fans bei der Fußball-Europameisterschaft anhören. Viele klagten, dass sie trotz überpünktlicher Abreise nicht rechtzeitig zum Anpfiff im Stadion ankamen. Um die notwendigen Investitionen der Bahn zu stemmen, gibt es daher auch radikale Ideen. Bodo Ramelow (Linke), Ministerpräsident von Thüringen, fordert im Gespräch mit dem „Spiegel“ ein Sondervermögen für die Bahn in Höhe von 100 Milliarden Euro. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) brachte einen Infrastrukturfonds ins Spiel, in den auch private Kapitalgeber einzahlen sollen.

Wie wird das Deutschlandticket genutzt?

Das Deutschlandticket ist ein Kassenschlager. 20 Millionen Menschen hatten das monatlich kündbare Abonnement schon einmal abgeschlossen, im Schnitt nutzen es 11,2 Millionen Fahrgäste pro Monat. Laut Umfragen sind die Hälfte davon Pendler, die es für den Weg zur Arbeit, Ausbildung oder zur Schule nutzen. Das tun sie besonders dort, wo der öffentliche Nahverkehr gut ausgebaut ist, also in Städten und den umliegenden Speckgürteln. Besonders auf dem Land, wo mitunter alle zwei Stunden ein Bus fährt, ist das Deutschlandticket weit weniger nützlich und entsprechend weniger beliebt. Nur 21 Prozent der Nutzer kommen laut einer Studie aus dem ländlichen Raum.