Die schärfste Kritik an Frank Nopper und seiner Vorschlagsliste kommt von der SPD. Fraktionschef Martin Körner sagt, dem Verwaltungschef mangele es beim Thema Klimaschutz „am wahrnehmbaren Wollen“.

Stuttgart - Am 17. Dezember verabschiedet der Stuttgarter Gemeinderat den Doppelhaushalt 2022/2023, ein Zahlenwerk im Milliardenumfang. OB Frank Nopper, CDU, hat seine Vorschläge vorgestellt. Am Donnerstag skizzierten die Fraktionen in ihren Haushaltsreden Nachbesserungsbedarf. Das Angehen gegen den Klimawandel beschäftigt viele, die CDU sprach das Thema auffällig nicht an. Erste Konfliktlinien zeichnen sich trotz des vereinbarten Bündnisses zwischen Grünen, CDU, SPD und FDP ab.

 

Grüne

Der Klimawandel sei das zentrale und drängende Problem, dafür trage man Verantwortung, sagte Fraktionssprecherin Petra Rühle, „das sollte man über Corona nicht vergessen“. Es gelte, keine Zeit mehr zu verlieren, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen, sich gegen Unwetter mit dem Konzept der Schwammstadt zu wappnen und den Umgang mit Lebensmitteln zu verbessern. Noppers Doppelhaushalt zeige nicht nur beim Klimaschutz „blinde Flecken“. Die Grünen wollten Pflegenden helfen, gegen häusliche Gewalt und soziale Isolation angehen und Kunst im öffentlichen Raum fördern. Man brauche eine „echte Mobilitätswende“ – und 120 neue Stellen.

CDU

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz legte seine Schwerpunkte auf die Themen Personal, Bauen und Bündnisse. Stuttgart müsse sich besser aufstellen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, Mitentscheidend sei dabei attraktiver Büroraum. Stark kritisierte Kotz die Bearbeitungszeiten im Baurechtsamt. Dort geschehe „mehrmals täglich Rechtsbruch“, weil gesetzliche Fristen nicht eingehalten würden. Kotz will eine Strukturdebatte und sprach Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) direkt an. Schwächen sieht Kotz auch im Rat selbst, der sich in kleinteiligen Debatten verliere, anstatt Grundsatzentscheidungen, zum Beispiel über das Rosensteinviertel, herbeizuführen. Kotz monierte, dass vollflächige Erbpacht die Stadt dort einen Milliardenbetrag kosten würde. Sehr zufrieden zeigte er sich über die Haushaltskoalition, bei der die CDU dabei ist und damit ein Linksbündnis verhindert hat.

SPD

Respekt – diesen Begriff aus dem Bundestagswahlkampf der Sozialdemokraten griff Fraktionschef Martin Körner auf. Respekt bedeute in der Stadtgesellschaft das Recht auf gleiche Chancen bei Bildung, Wohnen, Gesundheit. Normalverdiener aber könnten sich hier inzwischen keinen neuen Mietvertrag mehr leisten. Die SPD wolle gravierenden Fehlentwicklungen auch mit Förderprogrammen, zum Beispiel für Pflegeheimbauten zur Mietenreduzierung, begegnen. Damit das bestehende Klimaschutzprogramm Tempo gewinne, brauche die Energiesparberatung Personal. Kritisch ging Körner mit Noppers Plänen für die Aufstockung des Vollzugsdienst ins Gericht. Die SPD setze auf Prävention. Den Vorschlägen des OB mangele es an Substanz und dem OB beim Klima „am wahrnehmbaren Wollen“.

Linksbündnis

SÖS, Linke, Pirat und Tierschützer bilden das Linksbündnis. Fraktionssprecherin Laura Halding-Hoppenheit legte Schwerpunkte auf Klima, Soziales und Bildung. Das Linksbündnis will die Klimaneutralität der Stadt, bisher auf 2050 fixiert, vorziehen. „Ich will den Kindern sagen können, ich habe die Klimakatastrophe verhindert“, so Halding-Hoppenheit. Stuttgart sei eine der reichsten Kommunen Deutschlands, hier dürften keine Kinder mehr in Sozialhotels untergebracht werden. „Kinder zu unterstützen ist 1000-mal wichtiger als ein neues Konzerthaus.“ Dem Auto werde zu viel Platz eingeräumt, daher wolle man höhere Gebühren für das Anwohnerparken – und für schwere Autos zusätzlich einen Aufschlag.

FDP

Die Liberalen setzen diesmal einen klaren Schwerpunkt im Sozialbereich. 50 Prozent ihrer Haushaltsanträge befassen sich mit der Unterstützung von Menschen, die, wie Fraktionschef Matthias Oechsner sagte, „es nicht aus eigener Kraft schaffen“. Dies sei ein liberaler Grundgedanke. Weitere Schwerpunkte setzt die FDP im Bereich der Ausstattung und Ausbildung der Feuerwehr, bei der Personalgewinnung und -erhaltung, dem Ausbau der Kinderbetreuung sowie bei der energetischen Sanierung städtischer Gebäude. „Klimaschutz ist ein wichtiges Zukunftsthema, wir dürfen aber auch die Gegenwart nicht vergessen“, so Oechsner. Auch er beklagte in der Vorschlagsliste des OB in gewissen Bereichen eine „große Leere“, die es nun zu füllen gelte. Entschieden wendet sich die FDP gegen eine Anhebung der Grundsteuer sowie eine „übertriebene Erhöhung“ der Parkgebühren in der Stadt.

Puls

Die Fraktionsgemeinschaft, die bisher ihre Haushaltsanträge für sich behalten hatte, lobte zunächst die Vorschläge in der grünen Liste des OB. Die Ideen zur Inklusion, Personalgewinnung und vieles mehr „finden wir super“, so Stadträtin Verona Hübsch. Nachholbedarf sieht Puls beim Klimaschutz – etwa durch die Erstellung eines Hitzeaktionsplans – sowie im Sozialbereich: So sollen der Ausbau von Begegnungsstätten für Senioren gefördert, Hilfsangebote für Opfer häuslicher und sexueller Gewalt bezuschusst werden. Im Kulturbereich macht sich die Fraktionsgemeinschaft für Interimslösungen für die Künstlerkolonien Bauzug 3YG und Contain’t bei den Wagenhallen stark. Hübsch: „Ich hoffe, dass unsere Anträge in den abschließenden Etatberatungen Berücksichtigung finden.“

Freie Wähler

Auch die Freien Wähler unterstützten die von OB Nopper eingebrachten Vorschläge für den Doppelhaushalt im Grundsatz, so Stadträtin Rose von Stein. Die Wählergemeinschaft verzichte auf millionenschwere, visionäre Haushaltsanträge, konzentriere sich vielmehr auf Verbesserungen beim Bürgerservice, etwa durch eine Stuttgart-Zulage, die Jobs bei der Stadt attraktiver machen soll. Geld fordern die Freien Wähler auch für den Neubau der Feuerwache 3 in Bad Cannstatt, die Sanierung von Feuerwehrhäusern und Bezirksämtern und den Neubau der Kfz-Zulassungsstelle. Auch die Zuschüsse für Sportvereine und den Sportkreis Stuttgart sollen erhöht werden. Eine visionäre Idee präsentierte von Stein dann doch: den Vorschlag für ein mobiles Interimsschwimmbad, dass während der Sanierung von städtischen Bädern zum Einsatz kommen soll.

AfD

Sicherheit und Sauberkeit – für die AfD soll dies gerade auch in der Nach-Corona-Zeit ein zentrales Element der Haushaltspolitik sein. Fraktionschef Christian Köhler verwies auf die Gewalttätigkeiten in der Innenstadt, die „die Tendenz zu einem Ordnungsverlust“ gezeigt hätten. In der Stadt mache sich Angst vor „Verrohung“ breit. Die AfD fordert daher 66 Stellen mehr beim städtischen Vollzugsdienst. Zudem soll das Instrument der Gelben Karte, mit der die Bürger Missstände bei der Stadt anzeigen können, besser beworben werden. Die AfD will zudem die Bekämpfung von Schleuserbanden intensiviert wissen und dazu und bei der Stadt eine Koordinierungsstelle einrichten.