Bei einer Haushaltsklausur des Gemeinderates wird schnell klar: Einfach nur Kürzen reicht nicht. Es bedarf einer langfristigen Strategie, wohin sich die Stadt entwickeln soll.

Leonberg - Immerhin eines steht fest: So wie bisher wird es bei der Gestaltung der Leonberger Stadtzukunft nicht weitergehen. Darin sind sich alle Teilnehmer einer Haushaltsklausur einig, zu der Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) am Wochenende eingeladen hat. Bei der neunstündigen Tagung in der Stadthalle geht es den Gemeinderatsmitgliedern und den Vertretern der Verwaltungsspitze zwar zuallererst um Wege aus der Finanzkrise. Doch während der Diskussionen stellt sich sehr schnell heraus, dass einfach nur Sparen und Kürzen nicht zielführend sind. Für eine dauerhafte Lösung bedarf es einer langfristigen Strategie, eines regelrechten Leitbilds. Das soll nun in den nächsten Monaten entwickelt werden.

 

Maßgeblichen Anteil an diesem kommunalpolitischen Kurswechsel haben zwei externe Experten, die die Stadt zur Klausurtagung gebeten hat: Jürgen Fischer und Wolfgang Hafner unterrichten an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl und beraten Kommunen in problematischen Situationen.

Probleme gibt es viele

Von denen gibt es mehr als genug. Nicht erst seit Corona kämpfen vor allem größere Städte mit ausufernden Kosten, die durch die Einnahmen nicht ausgeglichen werden können. Doch die alten Rezepte, vom Nichtwiederbesetzen frei werdender Stellen bis zum bloßen Streichen von Zuschüssen helfen nicht, sagen die Professoren aus Kehl. Stattdessen müsse sich die Kommunalpolitik im Klaren sein, wohin sich die Stadt entwickeln soll.

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Erst dann könne man Schwerpunkte bei den Ausgaben und Investitionen setzen. Denn diese muss es weiterhin geben. „Geld macht nur Sinn, wenn man es ausgibt“, sagt der Experte Hafner. „Entscheidend ist, wofür es verwandt wird. Es wäre das Dümmste, dort zu streichen, wo es um die Entwicklung der Stadt geht.“

Was tut der Stadt gut?

Im Klartext: „Wir müssen die Frage beantworten, was Leonberg gut tut“, sagt Christa Weiß (SPD). Oder wie es Sebastian Werbke (Grüne) formuliert: „Wir müssen uns langfristig daran orientieren, was den Bürgern etwas bringt.“ Für Elke Staubach (CDU) bedeutet dies, dass die „Alleinstellungsmerkmale der Stadt“ herausgefiltert werden. In diese Bereiche müsse investiert werden. Das freilich geht nur, wenn Prioritäten gesetzt werden, schüttet Axel Röckle (Freie Wähler) Wasser in den Wein: „Wir werden nicht umhin kommen, unpopuläre Dinge umzusetzen.“ Auch Kurt Kindermann (FDP) geht davon aus, dass „wir bei einem Gestaltungsprozess mit modernen Lösungen dem einem oder anderen ein bisschen weh tun müssen“.

Bedeutet dies, dass die in den vergangenen Monaten immer wieder diskutierte Vereinsförderung geschmälert werden soll? Nicht zwangsläufig, sagt Martin Georg Cohn. Vielmehr solle an einem runden Tisch mit den Vereinsvertretern die künftige Art der Unterstützung gemeinsam festgelegt werden.

Dem Oberbürgermeister geht es vor allem um Transparenz in der eigenen Kämmerei. „Wir haben bei der Produktbeschreibung große Defizite“, kritisiert Cohn die momentane Haushaltsführung. „Es ist oft nicht erkennbar, was hinter den einzelnen Ansätzen steckt. Erst wenn klar ist, worum es überhaupt geht, sind wir in der Lage, Entscheidungen zu treffen.“

„Sonst ist der Crash absehbar“

Ist also früher alles falsch gemacht worden? So wollen es die Professoren nicht verstanden wissen. „Es geht nicht um Fehler“, sagt Wolfgang Hafner. „Vielmehr müssen aus den Erfahrungen Lösungen entwickelt werden.“ Die wiederum müssen zweigleisig laufen. Neben einem langfristigen Leitbild müssten die aktuellen Haushaltsdefizite ins Lot gebracht werden: „Sonst ist der Crash absehbar.“

Um diese Doppelaufgabe zu lösen, werden für die einzelnen Themen interfraktionell besetzte Arbeitsgruppen gebildet. Eine gibt es schon: In ihr sollen Zukunftsperspektiven für die dauerdefizitäre Stadthalle entwickelt werden. Dabei geht es weniger um das Programm, das gerade vom neuen Veranstaltungsmanager Nils Straßburg durchgeschüttelt wird, sondern auch um den baulichen Zustand der Halle. Dass der nicht der beste ist, erleben die Ratsmitglieder auch während der Klausur.

Mit den Anregungen der Professoren sind die Politiker zufrieden: „Der Perspektivwechsel hilft“, meint Harald Hackert („SALZ“). Fast euphorisch zeigt sich Gitte Hutter (Linke): „Ich bin total begeistert.“