Die grün-schwarze Koalition versorgt die Ressorts rundum mit neuen Stellen – eine Aufgabenkritik unterbleibt.

Stuttgart - Die Landtagsopposition hat die von der grün-schwarzen Koalition vorgelegten Eckdaten für den Landesetat 2018/2019 kritisiert. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch monierte: „Seit Regierungsantritt spricht Grün-Schwarz ständig vom Sanieren und Investieren, nun dominieren aber der Personalaufbau und damit einhergehend strukturelle Mehrkosten. Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke unterzog die 225 zusätzlichen Personalstellen für die Umweltverwaltung einer kritischen Würdigung: „Das böse Erwachen kommt mit dem nächsten Konjunktureinbruch.“

 

Am Samstag hatte sich die Haushaltskommission der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg auf die Eckdaten für den Doppelhaushalt 2018/2019 verständigt. Die beiden Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) betonten, die Koalition verzichte auf neue Schulden, wolle im Gegenteil im nächsten Jahr Kredite in Höhe von mindestens 200 Millionen Euro tilgen und werde keine Steuer erhöhen. Letzteres ein eher kurioser Hinweis angesichts der anhaltend erfreulichen Steuereingänge. Denn die sind so hoch, dass nach der bisher gültigen Landeshaushaltsordnung im Doppeletat eigentlich Schulden in Milliardenhöhe zurückbezahlt werden müssten.

Kritiker sprechen von Verwässerung des Schuldenbegriffs

Jedoch änderte die Koalition dieses Regelwerk rechtzeitig unter Erfindung des Begriffs der „impliziten Verschuldung“. Diese Definition bezieht sanierungsbedürftige Behördengebäude oder löchrige Straßen in den Begriff der Staatsverschuldung ein. Das Argument: In Niedrigzinszeiten sei es sinnvoller, solche Investitionen, die ohnehin irgendwann fällig würden, vorzuziehen. Damit werde der Etat krisenfester gemacht, weil bei dereinst nachlassenden Steuereingängen weniger Geld in den Erhalt der dann ja wieder properen Infrastruktur gesteckt werden müsse. Kritiker sprechen hingegen von einer Verwässerung des Schuldenbegriffs. Der Erhalt der Infrastruktur sei seit jeher Aufgabe der Haushaltsplanung gewesen.

Der Landesrechnungshof trägt das Konstrukt der „impliziten Schulden“ innerhalb gewisser Grenzen mit. Er besteht lediglich darauf, dass das Geld, das nach den bisherigen Regeln für den Schuldenabbau verwendet werden müsste, nicht in neue, zusätzliche Investitionen fließen darf, sondern tatsächlich dem Erhalt der vorhandene Substanz dienen müsse. Die beiden Fraktionschefs Schwarz und Reinhart beteuerten am Samstag, genügend sanierungsbedürftige Infrastruktur zu kennen, zu deren Erhalt das Geld angelegt werden könne. Das größere Problem dürfte indes darin liegen, ob die Planungskapazität ausreicht und sich genügend Baufirmen finden, die an die Arbeit gehen können.

Halbherzige Schuldentilgung

Immerhin gilt es, im Rahmen des Abbaus von „impliziter Verschuldung“ im kommenden Jahr rund eine Milliarden Euro und im Jahr 2019 sogar 1,3 Milliarden Euro auszugeben. Nicht alles Geld soll in die Infrastruktur fließen. Neben der Kredittilgung in Höhe von 200 Millionen Euro im Jahr 2018 – für 2019 will sich Grün-Schwarz noch nicht festlegen – ist eine einmalige Zuzahlung in die Versorgungsrücklage für die Beamtenpensionen vorgesehen – 125 Millionen Euro. Außerdem erhalten die Kommunen zusätzliche Sanierungsmittel. Dies allerdings hält der Landesrechnungshof für nicht zulässig im Rahmen des Konstrukts der implizite Staatsverschuldung. Dies machte er im Finanzausschuss des Landtags bereits deutlich.

Nach den Angaben der beiden Fraktionschefs Schwarz und Reinhart wird im Doppeletat das Einsparziel von 600 Millionen Euro erreicht. Allerdings sind diese Kürzungen noch nicht alle im Einzelnen benannt. Sie müssten dann über globale Minderausgaben – derzeit etwa 17 Prozent der Einsparauflage – konkretisiert werden. Für zusätzliche strukturelle, also dauerhafte Ausgaben stehen im kommenden Jahr 182 Millionen Euro zur Verfügung, im Jahr 2019 sind es nochmals 199 Millionen Euro. Für einmalige Ausgaben gibt es im kommenden Jahr 250 Millionen Euro, im Jahr darauf sind es 275 Millionen Euro. Insgesamt sind das mehr als 900 Millionen Euro. Die Ressorts hatten Mehrausgaben in Höhe von 3,6 Milliarden Euro angemeldet.

Stellen für die Umweltverwaltung

Im Doppeletat wird es zahlreiche neue Stellen geben, der CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sprach am Samstag von deutlich mehr als 2000. Wobei es sich vor allem im Schulbereich mit 1350 Stellen um einen Mix von neuen Stellen, entgegen den früheren Planungen nun doch nicht entfallenden Stellen und um umgewidmete Stellen handelt. Wieviele Stellen davon tatsächlich ganz neu sind, wurde nicht genau beziffert. Im Vorfeld der jüngsten Verhandlungsrunde war von netto 100 zusätzlichen Stellen für die Schulen die Rede gewesen. Die Polizei erhält im Doppeletat 1400 neue Stellen, einen Teil davon im Nichtvollzugsdienst. Für den Justizvollzugsdienst sind ebenfalls zahzlreiche neue Stellen vorgesehen. Über die Höhe gingen die Angaben auseinander.

Eine interessante Weichenstellung nimmt Grün-Schwarz jetzt vor: Über viele Jahre hinweg erhielten die Schulen immer neue Stellen, wurde die Polizei von Personaleinsparungen abgeschirmt, und die Stellenabbauprogramme erfolgten über die allgemeine Verwaltung (zum Beispiel die Regierungspräsidien, so soll es nun auch für den Verwaltungsbereich neue Stellen geben. Das betrifft zum Beispiel die Umweltverwaltung, für die Minister Franz Untersteller (Grüne) bemerkenswerte 225 Stellen erwirken konnte. Der FDP-Fraktionschef Rülke geißelte dies: Damit werde ein „grünes Steckenpferd“ bedient. Laut dem CDU-Fraktionschef Reinhart werden die Regierungspräsidien mit 100 neuen Stellen ausgestattet. „Damit werden wir Sorge tragen, dass in den kommenden Jahren die zur Verfügung stehenden Straßenbaumittel verbaut werden können“, sagte Reinhart. Kein Ressort gehe ganz leer aus.