Die Vorschläge reichen von Abspecken über Verschieben bis zum völligen Streichen: Das Familienzentrum für den nördlichen Teil Fellbachs ist in den Haushaltsreden im Gemeinderat wegen schlechter Finanzlage in Frage gestellt worden.

Fellbach - Wenn es bei der sich abzeichnenden Mehrheit im Gemeinderat bleibt, werden die Gebühren für die Kindergärten in den nächsten Jahren deutlich steigen und die örtlichen Steuern erhöht. Umstritten sind noch die neuen Sätze, insbesondere unter den bürgerlichen Fraktionen. Gewerbe- und Grundsteuerzahler will die FW/FD schonen: „Mittragen können wir bestenfalls eine Hebesatzerhöhung um einmalig jeweils zehn Prozentpunkt auf 375 Prozent.“ Die CDU kündigt dagegen an, für die von Oberbürgermeister Palm vorgeschlagene zweimalige Erhöhung zu votieren. Die SPD verknüpft die Zustimmung zur Steuererhöhung mit der Höhe der Kindergartengebühren.

 

CDU will Familienzentrum verschieben

„Einen Kostendeckungsgrad der Kindertagesstätten von zehn Prozent wie in Fellbach kann man wie eine Monstranz vor sich hertragen, ein echtes Qualitätssiegel ist es aber nicht. Wir plädieren für überdurchschnittliche Qualität zu auskömmlichen Preisen“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Spieth. „Wenn der Erste Bürgermeister davon spricht, dass zu lange von der Hand in den Mund gelebt wurde, ist dies ein deutliches Warnsignal vor der Gefahr einer Überschuldung. Wir haben uns deshalb das Ziel gesetzt, die Neuverschuldung auf 7 Millionen Euro zu begrenzen.“ Daher will die CDU den Bau des Familienzentrums am Ernst-Wiechert-Platz auf 2019 verschieben und die Flüchtlingshilfe von 740 000 Euro auf 150 000 Euro jährlich reduzieren. Zu streichen ist ihrer Ansicht nach eine Fußgängerampel für 260 000 Euro an der Stuttgarter Straße sowie die Straßensanierung in der Eberhardstraße für 750 000 Euro. Überrascht zeigte sich Spieth, dass für 860 000 Euro ein zweites Fahrradparkhaus beim Bahnhof im Haushalt steht, obwohl das erste noch nicht fertig ist: „Das kann nur mit einer völlig disparaten und ungesunden Fahrradaffinität erklärt werden.“ Verschieben will die CDU den Abbruch des alten Hallenbads sowie die Sanierung „Stadtmitte – Altes Pfarrhaus.“ 

FW/FD votieren für geringere Steuererhöhung

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler/Freien Demokraten, Ulrich Lenk, sieht das Problem der sich verschlechternden Finanzlage in der Stadt Fellbach „ganz eindeutig auf der Ausgabenseite. Im einzelnen ist zu beklagen, dass wir, Verwaltung und Gemeinderat, es vor allem bei unserer Investitionsplanung versäumt haben, diese den enger gewordenen finanziellen Spielräumen anzupassen. Dazu kommt der immer noch überzogene Fellbacher Standard. Wir bestellen immer noch zu häufig einen Porsche, obwohl wir uns eigentlich nur einen Mittelklasse-Mercedes leisten können.“ Lenk beantragte namens der FW/FD-Fraktion, eine Prioritätenliste der Investitionsvorhaben zu erstellen. Die Kosten für das Familienzentrum am Ernst-Wiechert-Platz sollen auf die ursprünglich angesetzten 5,5 Millionen Euro gedeckelt werden, ebenso wie das Fahrradhaus am Bahnhof auf Kosten von 800 000 Euro beschränkt werden soll. Die Fraktion will den Umbau der nördlichen Bahnhofstraße und der Esslinger Straße, ebenso wie der Friedrich-List-Straße und Eberhard-straße verschieben. Der Höfering Schmiden wird ebenso wenig als notwendig angesehen wie ein Kreisverkehr an der Remstal-/Hofäckerstraße, den übrigens auch die CDU ablehnt. 

SPD drängt auf baldigen Baubeginn

Auch die SPD sieht Handlungsbedarf, weil die Ausgaben im Verwaltungshaushalt die Einnahmen in den Jahren 2016 und 2017 voraussichtlich übersteigen. „Dies allerdings mit einer nahezu Verdoppelung von Betreuungsgebühren zu machen, halten wir für ausgeschlossen“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Möhlmann. „Die Zusatzeinnahmen würden dafür zum einen nicht ausreichen, zum anderen halten wir eine solche Gebührenentwicklung für sozial nicht vertretbar. Die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer, auch im beantragten Umfang, tragen wir dann mit, wenn die Gebührenfrage anders angegangen wird und wenn die zulässigen und vertretbaren Sätze bei der Vergnügungssteuer auch ausgeschöpft werden“, sagte Andreas Möhlmann.“ Ausführlich ging der SPD-Fraktionsvorsitzende auf das geplante Stadtteil- und Familienzentrum auf dem Gelände des Paulus-Gemeindezentrums ein, wo eine abgespeckte Variante zur Diskussion steht. Die SPD fordert nun, aufgrund der Kostenentwicklung das Raumprogramm und die Konzeption des Familienzentrums neu aufzustellen. Eine zeitliche Verschiebung strebt die SPD nicht an: „Allerdings wollen wir nicht vom Ziel abweichen, dem Gemeinderat zügig einen Baubeschluss vorzulegen.“ 

Grüne nennen Verschieben des Familienzentrums unsozial

Der Redner der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Michael Vonau, untersuchte in seiner Rede insbesondere die sozialen Folgen der bevorstehenden Haushaltskonsolidierung und konzentrierte sich „auf einige öko-soziale Stellschrauben, die der Grünen-Fraktion besonders am Herzen liegen.“ Ebenso wie die CDU will diese die vorgeschlagene gestaffelte Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer mittragen. „Eine unsoziale Komponente, wie von der CDU-Fraktion kürzlich geltend gemacht, sehen wir in der Erhöhung der Grundsteuer keineswegs. In Zeiten niedriger Zinsen ist es vor allem das Betongold, das üppige Wertsteigerung erfährt. Was hingegen wirklich unsozial erscheint, ist der CDU-Plan, den Bau des Stadtteil- und Familienzentrums an der Pauluskirche zu verschieben. Das Projekt wurde abgespeckt und kann ohne größere Schulden finanziert werden. Alles andere beschädigt den Ruf der Stadt und das Vertrauen in deren Verlässlichkeit.“ Trotz der Notwendigkeit des sorgsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln plädieren die Grünen für ein Vorziehen der Sanierung der Toilettenanlagen in der Silcher-Schule auf 2016. Ein „fundamentaler Hygienestandard“ solle in den Schulen eingehalten werden. 

Andreas Zimmer trägt eine umfassende Streichliste vor

Als Bürgervertreter, der angesichts der sich verschlechternden Haushaltssituation mahnt, versteht sich der parteilose Andreas Zimmer, der Sprecher einer Gruppe mit Heiner Merz (AfD). Zimmer spitzt die Lage zu: „In jedem ordentlich geführten Unternehmen würde die beschriebene Finanzlage die Alarmstufe Rot auslösen, da die Insolvenz des Unternehmens droht.“ Er schlägt den Verzicht auf das Familienzentrum und auf den bereits zugesagten städtischen Beitrag für die neue Halle am Bundesstützpunkt der Rhythmischen Sportgymnastik in Schmiden vor. Er will die Umgestaltungen der Bahnhofstraße und der Kreuzung Remstal-/Hofäckerstraße, den Fußgängerüberweg im Lindle am Grasigen Rain und den Höfering streichen. Einsparungen werden gefordert am „Bahnhof der Zukunft“ mit Mobilitätszentrum, bei den Sanierungsgebieten und Straßen. 740 000 Euro will Zimmer aus der Deckungsreserve streichen, die Oberbürgermeister Christoph Palm für begleitende Maßnahmen im Sinne der Integration und des Stadtfriedens unter Bezug auf den Flüchtlingszustrom bereithält. Die Erhöhung der Kindergartengebühren lehnt er dagegen ab. Im Rathaus will er pauschal 20 Stellen reduzieren und fordert dazu einen Einstellungsstopp mit Ausnahme der Bereiche Schulen und Kinderbetreuung. 

Linke-Stadtrat: Das Familienzentrum wird gebraucht

Auch der Stadtrat der Linken, Christian Hinrichsen, hält die teilweise Finanzierung der neuen Sportgymnastikhalle durch die Stadt für eine Fehlentscheidung angesichts der Finanzlage. Das Familienzentrum dagegen „wird auch gebraucht. Wünschenswert wäre, eine neue Bauplanung zu bekommen.“ Die von der Verwaltung geplante Erhöhung der Gebühren in der Kinderbetreuung hält Hinrichsen für unsozial: „Wir sollten eine kinderfreundliche Stadt sein und immer nach der bestmöglichen Betreuung streben.“ Auf die Erhöhung der Gewerbesteuer will er nicht grundsätzlich verzichten, schlägt aber vor, den Sprung auf insgesamt 15 Prozentpunkte zu beschränken.