Im Grundsatz für die Hausmusik, sagt der Bundesgerichtshof. Musik sei ein Stück Lebensfreude, Nachbarn müssen das hinnehmen. Allerdings in Grenzen – ein Urteil mit weit reichender Bedeutung.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Es gibt Menschen, die bezahlen viel Geld dafür, um Siegfried Ratz Trompete spielen zu hören. Der Berufsmusiker erfreut seine Zuhörer beim Staatstheater in Augsburg. Die Bewohner des benachbarten Reihenhauses gehören freilich nicht zu den Anhängern seiner Kunst. Sie haben sich gegen den übenden Musikanten gerichtlich zu Wehr gesetzt. Das Landgericht Augsburg hatte ihnen noch weitgehend recht gegeben und die Übungszeiten stark gestutzt. Doch am Donnerstag hat nun das höchste deutsche Zivilgericht auf die Pauke gehauen. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärt, dass das Landgericht viel zu strenge Maßstäbe angelegt habe. Herr Ratz darf üben, mehr als er derzeit tut.

 

Musik ist wichtig für die Lebensfreude

Das Urteil ist nicht nur für Berufsmusiker interessant. Zwischen diesen und all jenen, die Musik nur als Hobby betreiben, bestehe hinsichtlich des Rechts auf Übung kein Unterschied, sagt der für das Nachbarschaftsrecht zuständige V. Zivilsenat. Und er sagt auch, dass das häusliche Musizieren einen „wesentlichen Teil des Lebensinhaltes“ bildet, und somit für die einen erlaubt, und für die anderen hinzunehmen ist. Für die „Lebensfreude und das Gefühlsleben“ habe die Hausmusik eine besonders wichtige Bedeutung, formulieren die Richter – und es sei nun einmal so, dass nur Übung den musikalischen Meister mache.

Ruhezeiten sind einzuhalten

Das freilich habe einer „ausgewogenen, zeitlichen Begrenzung“ zu folgen – Lebensfreude sollen schließlich auch die Nachbarn verspüren. Was das genau bedeutet, ist wohl für Millionen von musizierenden Laien, Halbprofis und Profis interessant, bleibt im Urteil freilich ein wenig vage. Denn das richte sich nach den „Umständen des Einzelfalls“, so die Richter. Als „groben Richtwert“ sieht der Senat eine Beschränkung von zwei bis drei Stunden pro Werktag und ein bis zwei Stunden am Wochenende an – unter Einhaltung der üblichen Ruhezeiten. Das gilt auch für Siegfried Ratz, dessen Fall das Augsburger Landgericht noch einmal neu entscheiden muss. Für alle anderen Trompeter, Flötisten, Schlagzeuger und deren Nachbarn im Land ist der Richtwert zwar ebenfalls von Relevanz – ein fest geschriebenes Gesetz ist er freilich nicht. Es sind durchaus Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Übungszeit deutlich kürzer bemessen werden muss. Länger geht auch.