In diesen Tagen bilden die Raupen am meisten Brennhaare aus. Die Region Stuttgart ist auch in diesem Jahr ein Hotspot des Befalls.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Jetzt mit den letzten Junitagen erreicht die Gefahr ihren Höhepunkt: Die Eichenprozessionsspinner befinden sich landesweit im fünften oder sechsten und damit letzten Larvenstadium – dann haben sie am meisten Gifthaare entwickelt, bis zu 800 000 können es laut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg sein. Pro Tier wohlgemerkt. Im neuen Frühwarnsystem des Deutschen Wetterdienstes „Phentauproc“ kann man sehen, dass die Tiere in der Region Stuttgart, im Unterland und entlang des Rheins schon im sechsten Stadium angelangt sind.

 

Bereits in den vergangenen Jahren war die Region Stuttgart ein Hotspot des Befalls. Dies zeigt ein Monitoring der FVA für die Jahre 2016 bis 2024 – daneben war vor allem der Osten des Landes immer stark betroffen, etwa der Alb-Donau-Kreis oder der Ostalbkreis.

Nach Footballspiel in Aalen klagen viele Zuschauer über Hautausschlag

Wer bisher der Ansicht war, es werde zu viel Hysterie rund um den Eichenprozessionsspinner geschürt, wird vielleicht durch ein Vorkommnis am vorletzten Wochenende in Aalen eines Besseren belehrt: Zu einem Footballspiel in der Centus-Arena, die von Wald umgeben ist, waren 4200 Zuschauer gekommen – etliche klagten danach über massiven Hautausschlag. Auf Bildern in der örtlichen „Schwäbischen Post“ war zu sehen, wie Beine und Arme von Zuschauern komplett mit roten Quaddeln bedeckt waren. Mehrere benachbarte Vereine haben bis heute ihren Übungsbetrieb eingestellt, nachdem Mitglieder ebenfalls über Ausschlag geklagt hatten.

So weit musste der MTV Stuttgart nicht gehen. Aber auch auf dem Sportgelände am Kräherwald hätten Spieler einer Jugendmannschaft nach dem Training Symptome bekommen, wie Geschäftsführer Peter Kolb berichtet. Man habe deshalb alle Mannschaften informiert, damit jeder und jede selbst entscheiden könne, ob er vorübergehend mit dem Training aussetze. Die Stadt und das Forstamt seien ebenfalls informiert worden, doch es seien keine Nester gefunden worden. In den vergangenen Tagen seien auch keine neuen Meldungen über gesundheitliche Probleme mehr eingegangen, sagte Kolb.

Die Raupen können auch mit einem Spezialsauger entfernt werden. Foto: dpa/Bodo Marks

In Bietigheim-Bissingen steht der Eichenprozessionsspinner sogar im Verdacht, vor wenigen Tagen für den Tod eines Hundes verantwortlich zu sein – vermutlich hat das Tier im Overland-Park nahe des Stadtzentrums von Bietigheim direkten Kontakt zu Raupen gehabt und einen anaphylaktischen Schock erlitten.

Wie die Beispiele Aalen und MTV Stuttgart zeigen, braucht es aber gar keine direkte Berührung der Raupen, um Probleme zu bekommen. Bei der FVA in Freiburg ist Lea Dieckmann die Expertin für den Eichenprozessionsspinner. Sie betont, dass die Brennhaare der Raupen vom Wind bis zu 450 Meter weit getragen werden könnten. Gefährlich seien im Übrigen nicht die langen Haare auf der Raupe, die man auf Bildern gut erkennen kann – die eigentlichen Gifthaare seien viel kleiner, nämlich maximal drei Zehntel Millimeter lang, und damit kaum sichtbar.

Diese Haare können nicht nur einen Hautausschlag verursachen, der bis zu zwei Wochen anhalten und stark jucken kann, sondern sie können auch die Augen und die Atemwege angreifen. Wer Symptome bekommt, sollte zum Arzt gehen. Er kann kortisonhaltige Salben oder Sprays verschreiben.

Insgesamt falle das Auftreten des Eichenprozessionsspinners in diesem Jahr im Südwesten nicht so stark aus wie in manch anderen Jahren, sagt Lea Dieckmann – trotzdem könne lokal ein starker Befall festgestellt werden. Mit Bioziden lassen sich die Raupen in frühen Stadien gut bekämpfen – sie nehmen das Gift beim Fressen über die Eichenblätter auf. In den jetzigen späten Stadien hilft dagegen nur noch, die Tiere mit einem speziellen Gerät abzusaugen.

Die gute Nachricht ist: Spätestens Anfang Juli verpuppen sich die Larven, und dann ist die größte Gefahr vorbei. Nach einer drei- bis fünfwöchigen Puppenruhe schlüpfen im Hochsommer schließlich die eigentlichen Falter. Dieser nachtaktive und unscheinbar graubraun gefärbte Schmetterling hat verkümmerte Mundwerkzeuge – er lebt deshalb nur wenige Tage.