Zuletzt ist die Zahl der Menschen, die unter der Hautkrankheit leiden, deutlich gestiegen. Dabei könnten auch verbesserte Diagnosemöglichkeiten eine Rolle spielen.

Stuttgart - In letzter Zeit wird in Deutschland wieder häufiger die Hautkrankheit Krätze diagnostiziert. Wie kürzlich berichtet, hat sich 2017 allein bei den Versicherten der Barmer Ersatzkasse die Zahl der verordneten Medikamente gegen Skabies – so der medizinische Name – um durchschnittlich 60 Prozent erhöht. Diese Entwicklung bestätigt auch Heiko Grimme, niedergelassener Hautarzt in Stuttgart: „Seit mindestens einem Jahr hat das unglaublich zugenommen. Heute sehe ich zwei bis drei Fälle am Tag.“ Regional gesehen gibt es nach Angaben der Krankenkasse große Unterschiede, aber die Tendenz ist klar. „Die Zahl der Krätzefälle hat zugenommen und das schreckt auf“, meint auch Cord Sunderkötter, Direktor der Dermatologie am Universitätsklinikum Halle.

 

Die Krätze wird durch Milben verursacht. Das sind winzige Spinnentiere, die sich in die Oberhaut bohren und dort Eier ablegen. Vielfach geschieht das in Hautfalten – etwa zwischen den Fingern, in den Achseln, im Genitalbereich oder in anderen Regionen des Körpers. Das menschliche Immunsystem reagiert erst einige Wochen nach Beginn der Parasiteninfektion mit einem starken Juckreiz. Dieses für die Krätze typische Jucken kann auch an nicht befallenen Körperstellen auftreten und wird in der Nacht – wohl durch die Wärme unter der Bettdecke – verstärkt und oft unerträglich. So mancher Betroffene kratzt sich blutig.

Krätze ist keine Schmuddelerkrankung mehr

Im Normalfall hält die Immunabwehr bei guter Hygiene die Zahl der Milben auf niedrigem Niveau bei etwa 12 bis 15 Exemplaren pro befallenem Opfer. Die Übertragung der Parasiten erfolgt durch direkten Körperkontakt von Mensch zu Mensch, der allerdings einige Minuten andauern muss, denn die Krätzmilbe ist ein langsames Tier. Infolgedessen überträgt sich Skabies überall dort, wo Menschen längere Zeit auf engem Raum zusammenleben – etwa zwischen den Mitgliedern einer Familie, zwischen Kindern in Kitas oder Pflegebedürftigen und Betreuern. Mit ungenügender Hygiene oder Verwahrlosung hat das nichts zu tun. „Die Krätze ist bei uns heute keine Schmuddelerkrankung mehr“, betont Sunderkötter.

Einen Sonderfall stellt die Krätze bei Personen dar, deren Immunsystem unterdrückt oder geschwächt ist. Dies kann aufgrund einer ernsten Erkrankung, nach einer Organtransplantation oder durch hohes Alter der Fall sein. Hier vermehren sich die Parasiten explosionsartig. Am ganzen Körper kann eine Rötung auftreten und es bilden sich beispielsweise an Händen und Füßen dicke Hornhautschichten und Borken, die voller Milben sind. Der starke Juckreiz, der für die normale Krätze so typisch ist, kann hier völlig fehlen. Mitunter wird die Erkrankung wegen anderer Hautkrankheiten nicht sofort erkannt. Diese Borkenkrätze wird sehr leicht übertragen, es reicht schon ein flüchtiger Hautkontakt. Auch eine indirekte Übertragung durch Wohntextilien oder Türklinken ist möglich. In Alten- und Pflegeheimen ist diese Form der Krätze häufiger anzutreffen.

Dermatoskopie erleichtert die Diagnose

Für die beobachtete Zunahme der Krätze sieht Cord Sunderkötter mehrere Gründe: „Wahrscheinlich ist sie früher nicht immer gleich erkannt worden, denn der direkte Nachweis ist sehr aufwendig.“ Heute ist die Diagnose mit der Methode der Dermatoskopie leichter zu stellen. Ein weiterer Grund könnte in der Zunahme von sexuellen Kontakten liegen, bei denen neben Geschlechtskrankheiten auch die Krätze übertragen wird.

Die Annahme, dass auch die Flüchtlinge, die meist aus wärmeren Gegenden stammen, zur Zunahme der Krätze beitragen könnten, ist unter Experten umstritten. „Zeitlich mag das mit der Flüchtlingswelle zusammenpassen, aber richtig plausibel ist das nicht“, so der Stuttgarter Dermatologe. „Schließlich haben die wenigsten von uns länger andauernden, engen Körperkontakt mit den Flüchtlingen.“ Die Frage, warum die Krätze zu bestimmten Zeiten vermehrt auftritt, ist im Übrigen nicht neu. In einem älteren Fachartikel wurde beschrieben, dass die Häufigkeit wellenförmig schwanke. Alle 15 Jahre ist demnach eine epidemiehafte Häufung zu beobachten.

Behandeln lässt sich die Hautkrankheit im Normalfall einfach und schnell. Bei der klassischen Therapie wird das Insektizid Permethrin verwendet. Es wird in Creme- oder Salbenform einmalig auf den ganzen Körper aufgetragen und muss einige Stunden lang einwirken. Dabei tötet es die Parasiten ab. Es wird in der Regel sehr gut vertragen, aber es gibt Fälle, bei denen es nicht so gut wirkt. „Wir sind inzwischen dazu übergegangen, die Anwendung nach acht Tagen zu wiederholen“, beschreibt Heiko Grimme das Vorgehen in seiner Praxis.

Mit Pillen gegen Milben

Anwendungsfehler sind nie ganz auszuschließen: „Da hat sich der Patient vor dem Zubettgehen gewissenhaft mit dem Mittel eingecremt. Nachts geht er auf die Toilette, wäscht sich die Hände und vergisst, sie erneut einzucremen. So können die Milben dort überleben.“ Dennoch wird unter Experten auch die Möglichkeit einer Resistenz gegenüber Permethrin diskutiert. Bislang sei das aber noch nicht nachgewiesen, so Cord Sunderkötter. Seit zwei Jahren ist bei uns in Deutschland darüber hinaus das Medikament Ivermectin zur Behandlung der Krätze zugelassen. Es wird als Tablette geschluckt und blockiert einen wichtigen Stoffwechselweg in der Milbe.

Ivermectin wird insbesondere bei behinderten Personen, Betroffenen in Altenheimen oder bei starkem Befall eingesetzt. Auch hier sollte nach einer Woche eventuell eine zweite Behandlung erfolgen. Unabhängig davon, welches Mittel angewendet wird, müssen enge Kontaktpersonen wie Familienmitglieder zeitgleich mitbehandelt werden, selbst wenn sie keine Symptome zeigen. Die Ansteckung könnte nämlich unerkannt längst passiert sein.

Perfekt angepasster Parasit

Biologie Die Krätzmilbe ist ein hoch spezialisierter Parasit, der nur auf dem Menschen überleben kann. Dieser Wirt bietet ihm alles, was er braucht. Das Weibchen ist etwa 0,3 bis 0,5 Millimeter groß, das Männchen etwas kleiner. Die Begattung findet auf der Haut statt. Das befruchtete Weibchen gräbt einen oberflächlichen Gang in die Haut und legt dort seine Eier ab. Pro Tag schafft das Weibchen eine Wegstrecke von bis zu fünf Millimeter. Die Gänge sind etwa einen Zentimeter lang, oft leicht kommaförmig gebogen und mit bloßem Auge zu sehen. Oft kann der Hautarzt mit dem Dermatoskop den dunklen Brustschild der Milbe erkennen. Aus den Eiern schlüpfen Larven, die an die Hautoberfläche zurückkehren und sich dort in zwei bis drei Wochen zum erwachsenen Tier entwickeln. Männchen graben sich nicht ein, sondern sterben nach der Begattung.

Vorkommen Die Krätzmilbe ist auf der ganzen Welt zu finden. Häufig kommt sie in tropischen Regionen in Mittel- und Zentralamerika vor. Die Inseln des Pazifischen Ozeans sind besonders stark betroffen; das Robert-Koch-Institut spricht von einer Massenerkrankung, denn hier beherbergen rund 40 Prozent der Bevölkerung den Parasiten.

Hygiene Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch. Experten beziffern die dazu nötige Zeit auf fünf bis zehn Minuten intensiven Kontakts. Händeschütteln, Umarmungen und Begrüßungsküsse reichen bei der normalen Skabies für eine Übertragung nicht aus. Außerhalb des menschlichen Körpers sind die Milben nicht lange überlebensfähig. Bei den in Deutschland üblichen Raumtemperaturen kann man von rund 48 Stunden ausgehen. Bei Milbenbefall sollten Bettwäsche, Handtücher und Körperwäsche mit 60 Grad gewaschen werden. Andere Kleidungsstücke sollten in Plastiksäcke verpackt für drei Tage bei mindestens 21 Grad aufbewahrt werden. Die Wohnung muss gründlich gesaugt und der Staubsaugerbeutel anschließend entsorgt werden.