Tätowierungen haben in Japan eine lange Tradition. Doch bis heute werden sie mit Yakuza-Gangstern assoziiert. So manchem verzierten Angestellten wird sogar das Gehalt gekürzt.

Osaka/Japan - Mit aufgerissenem Maul schlängelt sich der Drachen von der Brustwarze über die Schulter hinunter bis fast zum Ellenbogen. Das imposante Motiv ist Teil eines Gemäldes: Allerdings nicht auf einer Leinwand, sondern auf der Haut eines Japaners – ein Werk des Tätowierers Horoyoshi III. Japanische Tattoos, die sich oft über den gesamten Körper erstrecken, finden auch in Deutschland begeisterte Fans. In Japan selbst aber sind „irezumi“ noch immer stigmatisiert.

 

Denn mit „irezumi“ werden Japans Yakuza-Gangster assoziiert. In Badehäusern und Schwimmbädern ist Trägern großflächiger Tätowierungen der Zutritt verboten. Die Bilder auf der Haut werden denn auch meist unter der Kleidung versteckt. Dabei sind Tattoos, wie sie auch im Westen Mode sind, gerade bei jungen Japanern populär geworden. Toru Hashimoto hat dafür keinerlei Verständnis. Der nationalistische Bürgermeister der Millionenstadt Osaka führt unter seinen städtischen Mitarbeitern einen Feldzug gegen Tätowierungen.

Hashimoto veranlasste unter 33 000 Angestellten seiner Stadtverwaltung eine Umfrage, in der jeder einzelne angeben sollte, ob er oder sie eine Tätowierung habe. Der Politiker wollte auch wissen, ob die Mitarbeiter ihre Tätowierungen auf dem Nacken oder darüber, auf den Armen und Händen oder vom Knie abwärts haben.

114 der Befragten gaben an, Tätowierungen zu haben. Sechs Mitarbeiter weigerten sich, die Frage zu beantworten – und wurden prompt bestraft. Nach Angaben eines Vertreters der Stadtverwaltung wird ihnen nun das Gehalt gekürzt. Außerdem werden sie Medienberichten zufolge fortan so behandelt wie diejenigen, die zugaben, Tattoos zu tragen: indem sie in Abteilungen versetzt werden, wo sie weniger Kontakt zu Bürgern haben.

Vor der Jobsuche in die Schönheitsklinik

Mindestens drei der Betroffenen wollen gegen diese Art der Behandlung vor Gericht ziehen, sollte die Personalabteilung stur bleiben. Anlass für die Umfrage war laut Medienberichten ein Vorfall, bei dem einer der Stadtangestellten bei einem Besuch einer Kindereinrichtung die Kleinen mit seinen Tattoos erschreckt haben soll. Das soll Bürgermeister Hashimoto in Rage gebracht haben. „Die Bürger fühlen sich unbehaglich oder eingeschüchtert, wenn sie bei Bediensteten Tattoos sehen, und es untergräbt das Vertrauen in die Stadt“, rechtfertigte der 1969 geborene Jurist und einstige TV-Moderator seine Kampagne.

Hashimotos strenges Vorgehen passt zu seinem Image des starken Mannes. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen, da viele Japaner die Nase voll von ihren Regierenden in Tokio haben, empfiehlt er sich mit konservativen und zunehmend nationalistischen Tönen als derjenige, der die verkrusteten Strukturen der japanischen Politik angeblich zerschlagen könne.

Sein Anti-Tattoo-Feldzug hat inzwischen dazu geführt, dass sich junge Japaner auf der verzweifelten Suche nach einer Arbeitsstelle nun vermehrt in Schönheitskliniken einfinden, um eilig ihre Tattoos entfernen zu lassen, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtet. Dabei haben viele dieser jungen Leute mit Yakuza-Gangstern und deren Ganzkörper-Tattoos gar nichts am Hut.

Sie finden Tattoos einfach nur modisch, inspiriert von Stars wie David Beckham oder der japanischen Pop-Sängerin Namie Amuro – ähnlich wie ihre Altersgenossen im Westen auch. Doch mancher hat nun Angst: „Private Unternehmen könnten unter dem Einfluss Hashimotos ähnliche Aktionen starten“, wird ein 21-jähriger Student aus Tokios Nachbarprovinz Saitama zitiert. „Was, wenn meine Tätowierung entdeckt würde?!“