Jetzt, da Spezialisten alles vorbereitet haben, um den Treibstoff aus der Costa Concordia abzupumpen, behindern Wind und Wellen die Arbeiten.

Giglio - Sie waren fast fertig. Spezialtaucher der niederländischen Bergungsfirma Smit haben vier von sechs Tanks am Bug der Costa Concordia angezapft und sich damit einen Zugang zu zwei Dritteln des Treibstoffs an Bord geschaffen. Just am Samstag aber, als Smit mit dem Pumpen beginnen wollte, schlug das Wetter um. Bis Dienstag ist nun erst einmal Zwangspause. Auch die Suche nach den noch immer fünfzehn Vermissten ruht, nachdem am Samstag das siebzehnte Todesopfer, eine junge Peruanerin aus den Reihen der Besatzung, geborgen worden ist. Auch mindestens fünf Deutsche sind bei dem Unglück ums Leben gekommen, darunter eine Frau aus Baden-Württemberg.

 

Auf der Insel Giglio und beim italienischen Zivilschutz bleibt man trotz der Zwangspause gelassen. "Die Männer haben die Sache im Griff" heißt es. Für die Holländer selbst sind die Arbeiten reine Routine. Seit 170 Jahren ist Smit mit Schlepp- und Kranarbeiten auch in den ganz großen Häfen aktiv; sie montieren Ölbohrinseln oder Windparks vor den Küsten und helfen weltweit Schiffen in Seenot.

Der Durchbruch zu Schiffsbergungen kam im Jahr 1957 mit der Entfernung von 41 Kriegswracks aus dem Suezkanal. Konkurrenz gibt es wenig. Auf den Weltmeeren teilen sich ganze vier Firmen - drei von ihnen niederländisch - das Geschäft; in heiklen Fällen arbeiten sie zusammen: 2001 zum Beispiel, als Smit und Mammoet das russische Atom-U-Boot Kursk aus 100 Meter Tiefe hoben, oder 1987, als man zur Bergung der Kanalfähre Harald of Free Enterprise starke Betonpfeiler in den Meeresgrund vor Zeebrügge senken musste. Was die 2380 Tonnen Schwer- und Dieselöl der Costa Concordia anbetrifft, sagt der Smit-Sprecher Martijn Schuttevaer ziemlich ungerührt: "Wir haben schon größere Mengen abgepumpt."

Weiter umweltgefährdende Stoffe an Bord

Die Technik, sagt Schuttevaer, sei bewährt: Taucher schrauben von außen Ventile an den Schiffsrumpf, jeweils zwei pro Tank. Durch diese öffnen Bohrer ein 16 Zentimeter weites Loch im drei Zentimeter dicken Stahl des Schiffs. Eingesetzt wird eine von Dampf durchströmte Heizschlange, die das gelatineartig zähe Schweröl am Auslass auf 30 bis 40 Grad erwärmt und damit flüssig macht. Die Technikplattform Meloria leitet das Material in ein Tankschiff weiter. Durch das zweite Loch strömt Wasser in die Bunker der Costa Concordia, damit das beim Abpumpen erleichterte Schiff in seiner stabilen Seitenlage bleibt.

Gut drei Wochen, sagt Schuttevaer, könnte das dauern: "Zum Rest der Tanks können wir nur über das Schiffsinnere vordringen. Das ist schwierig, und wir wissen nicht, wie lange wir dafür brauchen." Und dann gibt es ja auch noch die anderen umweltgefährdenden Stoffe an Bord: Schmieröle, Lacke, Lösungsmittel, Abwässer verschiedener Art. Aber um die, meint Schuttevaer, kümmere man sich am besten dann, wenn man das Wrack als Ganzes entferne.

Nur: wie das gehen soll, darüber zerbrechen sich Reederei, Techniker und Versicherungen erst die Köpfe. Es gibt deshalb auch noch keinen Auftrag dafür. Die Costa Concordia aufzurichten erscheint mehr denn je als eine eher theoretische Möglichkeit. Zwar ist die Technik mit Luftkissen auf der einen und Zugkränen auf der anderen Seite ebenfalls bewährt - aber nur bei Schiffen viel kleinerer Dimension.

Die Zerlegung des Schiffs vor Ort wird wahrscheinlicher

Max Iguera, der italienische Vertreter von Smit, sagt, bei der Costa Concordia müssten - nach dem Abdichten des 70 Meter langen Lecks - 55.000 Tonnen Stahl bewegt werden. Wenn überhaupt, dann sei ohne die Demontage von Decks und Aufbauten nicht daran zu denken. In Holland schließen Experten das Aufrichten des 290 Meter langen und mehr als 70 Meter hohen Kolosses rundweg aus. Man bräuchte Bergungsschlepper mit Zugkräften von 15.000 bis 20.000 Tonnen, wird der frühere Smit-Direktor Hans van Rooij zitiert; der stärkste Schlepper der Welt aber ziehe gerade einmal 300 Tonnen.

So wird die Zerlegung der Costa Concordia vor Ort immer wahrscheinlicher. Es ist die teuerste, längste und für die Umwelt problematischste Variante. Dafür bleibt der Insel ihre neue Touristenattraktion erhalten, nicht nur für eine Saison.