Offiziere der Costa Concordia belasten Kapitän Schettino: Er sei nicht zu Beschlüssen in der Lage gewesen, weil er dauernd mit der Reederei telefoniert habe.

Giglio/Rom - Knapp zwei Wochen nach der Havarie der Concordia haben sich die Reederei Costa und italienische Verbraucherverbände auf eine Entschädigung für die mehr als 3000 Passagiere geeinigt. In einer gemeinsamen Presseerklärung versichern beide Seiten, die Summen lägen "über den gesetzlichen Vorschriften"; der Verband Codacons aber, der dem Abkommen nicht beigetreten ist, rät den verunglückten Touristen, ihrerseits die Unterschrift zu verweigern und lieber den juristischen Weg der Sammelklagen zu beschreiten. Was Costa zugestanden habe, so Codacons, sei "nur ein Almosen".

 

Die Einigung sieht eine Pauschalentschädigung von 11.000 Euro für jeden Passagier vor, auch für Kinder, die kostenlos auf der Costa Concordia mitgereist sind. Erstattet werden ferner der gesamte Fahrpreis, An- und Abreise sowie die Ausgaben an Bord. Für die wenigen Verletzten, die im Krankenhaus behandelt wurden, sowie für die Angehörigen der bislang 16 Opfer sollen individuelle Regelungen getroffen werden.

Position des Kapitäns durch neu veröffentlichte Dokumente erschwert

Sowohl in Italien als auch in den USA sind unterdessen Vorbereitungen für Sammelklagen gegen Costa und die amerikanische Konzernmutter Carnival im Gang. Als Vertreter von Opfern hält der deutsche Anwalt Hans Reinhardt gegenüber der Presseagentur AP ein Schmerzensgeld von 160.000 Dollar pro Passagier für möglich.

Von den zwölf vermissten deutschen Passagieren sind inzwischen vier tot geborgen worden. Weitere der noch 16 Vermissten wurden bis Freitagabend nicht gefunden, obwohl Hightechsuchboote nach Angaben der italienischen Feuerwehr 32 Quadratkilometer Wasserfläche und Meeresgrund abgesucht haben. An Bord selbst, so teilten die Einsatzkräfte am Freitag mit, seien sämtliche noch über Wasser befindlichen Kabinen durchsucht. Unzugänglich blieben - auch wenn sich italienische Marinetaucher in etwa 18 Meter Tiefe einen weiteren Zugang in den Schiffsrumpf sprengten - viele der Innenkabinen im versunkenen Teil der Costa Concordia.

Neu veröffentlichte Dokumente erschweren die Position des Kapitäns. Francesco Schettino sei in den entscheidenden Augenblicken nicht zu Beschlüssen in der Lage gewesen, weil er dauernd mit der Reederei telefoniert habe, erklärten Schiffsoffiziere gegenüber der Staatsanwaltschaft: "Wir alle waren überzeugt, dass wir das Schiff so schnell wie möglich räumen sollten; wir haben das auch vom Kapitän verlangt, aber der war am Telefon und schien nicht zu verstehen, was wir ihm sagten."

 Der Kapitän hat die Lage verharmlost

In der Tat sind in den zwei Stunden, nachdem sich die Costa Concordia an der fatalen Klippe den Bauch aufgeschlitzt hatte, 17 Telefonate zwischen Schettino und Costa-Manager Roberto Ferrarini belegt. Im Namen Ferrarinis selbst erklärte Costa nach zwölftägigem Schweigen, der Kapitän habe "in ruhigem und sicher wirkendem Ton" die Lage verharmlost.

"Dann wollte er aber eine gemeinsame Sprachregelung gegenüber den Behörden. Wir sollten ihnen mitteilen, zuerst sei der Strom an Bord ausgefallen. Aufgrund dessen sei das Schiff auf Grund gelaufen." Diesem Vorschlag allerdings, der den tatsächlichen Hergang auf den Kopf stellte, mochte sich die Reederei schon in der Unglücksnacht nicht anschließen. Der nationale Chef der italienischen Hafenmeisterei, Marco Brusco, sagte unterdessen vor dem Parlament, hätte Schettino mit der Verzögerung des Notrufs nicht "eine kostbare Stunde vergeudet, hätte es wahrscheinlich keine Toten gegeben".