Ein Abendessen im Heaven’s Kitchen ist ziemlich anders als in jedem anderen Restaurant in Stuttgart. Einerseits kommt das komplette Menü (Kostenpunkt: 39 Euro) ohne tierische Produkte aus, ist also vegan. Andererseits erhält man die mehreren Gänge nicht auf Tellern oder in Schüsseln, sondern das Essen wird direkt vor einem am Tisch angerichtet, auf braunem Papier. Warum ist das so? Und wie soll das nachhaltiger sein als Porzellan, das man abspülen kann? Die Chefin des Lokals, Tanja Goldstein, erklärt, was dahintersteckt und worum es ihr dabei eigentlich geht.
Frau Goldstein, ist das eigentlich Backpapier, auf dem Sie abends das Essen anrichten?
Nein, das kommt von einem französischen Papierhersteller, der beschichtetes und zugleich kompostierbares Papier verkauft. Bei der Beschichtung werden keine Chemikalien verwendet, das Papier ist vegan. Und wir entsorgen das danach über unsere eigene Kompostiermaschine im Keller – nachdem wir es leicht zerkleinert haben.
Teller kann man abspülen und etliche Male wiederverwenden, das Papier nur ein einziges Mal. Wie kann das nachhaltiger sein?
Bei unserem Abendmenü bräuchten wir pro Person sechs Teller. Und wir bewirten derzeit bis zu 80 Personen pro Abend. Bei einem Spülgang können etwa zwölf Teller zugleich gewaschen werden, wir müssten die Spülmaschine also etwa 50-mal an einem Abend einschalten. Wenn man das hochrechnet, kommt man auf 20 000 Liter Wasser, die wir pro Jahr einsparen, indem wir abends keine Teller nutzen. Selbst wenn wir das Papier direkt entsorgen würden, kommen wir auf diese Ersparnis. Aber eigentlich geht es mir gar nicht so sehr um diesen Aspekt . . .
Worum geht es Ihnen denn?
Die meisten, die zu uns kommen, sind keine Veganer, sondern Flexitarier, verzichten also hin und wieder auf Fleisch und Fisch. Viele haben sich auch zuvor noch nie getraut, bewusst vegan zu essen, und sind sehr skeptisch. Ich höre mehrfach täglich den Satz: „Wenn das hier nichts ist, gehen wir danach eben noch zu Burger King.“ Genau diese Menschen wollen wir von klimafreundlicher Ernährung überzeugen, ihnen ein tolles Erlebnis bieten und zeigen, wie spannend veganes Essen sein kann. Außerdem geht es mir um Achtsamkeit: Durch das Anrichten der Speisen direkt am Tisch auf dem Papier konzentrieren sich die Menschen zweieinhalb Stunden lang nur aufs Essen, auf nichts anderes.
Warum gibt es morgens und mittags dann noch Teller?
Einerseits ist das Anrichten der Speisen direkt am Tisch personell sehr aufwendig. Andererseits wollen morgens oder mittags viele Personen nur eine Kleinigkeit essen, etwa ein Croissant. Und wenn die Menschen draußen sitzen und es windig ist, funktioniert das mit dem Papier auch nicht.
Quereinsteigerin in der Gastronomie
Kapellmeisterin
Eigentlich ist Tanja Goldstein (47) studierte Kapellmeisterin. Später arbeitete sie als Projektmanagerin bei einer Digitalagentur und absolvierte ein Fernstudium zur veganen Ernährungsberaterin. Seit 2022 betreibt sie das Haus an der Theodor-Heuss-Straße 26 in Stuttgart. Drei Stockwerke vermietet sie an Firmen, die ihre Werte von einer besseren Welt teilen, unten ist das Heaven’s Kitchen. Dafür erhielt sie den Gastro-Gründerpreis. Tanja Goldstein lebt seit rund vier Jahren vegan.