Als Präsident des Landgerichts Rottweil war er hoch angesehen. Dann ging Peter Beyerle zur Waffenfirma Heckler & Koch. Nun steht er wegen illegaler Exporte unter Anklage – und soll sogar einer Bande angehört haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Offiziell verrät die Staatsanwaltschaft Stuttgart, wie stets, keine Namen. Als die Behörde im vorigen November Anklage gegen sechs „Verantwortliche eines Waffenherstellers“ erhob, nannte sie nur deren Funktionen. Zwei ehemalige Geschäftsführer, zwei einstige Vertriebsleiter, eine Mitarbeiterin und ein früherer Verkaufsrepräsentant würden beschuldigt, gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben. Sie seien daran beteiligt gewesen, dass in den Jahren 2006 bis 2009 in 16 Fällen Gewehre und Zubehör ohne die erforderliche Genehmigung nach Mexiko geliefert wurden – illegal also, was alle gewusst hätten.

 

Kein Geheimnis war, dass es um die Oberndorfer Waffenfirma Heckler & Koch geht. Wer konkret angeklagt wurde, ließ sich vermuten, etwa aufgrund der Strafanzeige, mit der der Freiburger Friedensaktivist Jürgen Grässlin die Ermittlungen 2010 ausgelöst hatte. Nun aber, da die Anklage näher bekannt wird, bestätigt sich eine besonders bizarre Personalie. Ein Prozess droht auch einem Mann, der sein Berufsleben lang selbst Prozesse geführt hat, allerdings aus ganz anderer Perspektive: dem einstigen Präsidenten des Landgerichts Rottweil, Peter Beyerle (75). Nach der Pensionierung nämlich hatte er eine zweite Karriere bei Heckler & Koch begonnen, die ihm schon in den vergangenen Jahren reichlich Ärger mit der Justiz einbrockte. Nun sieht er sich gar mit dem Vorwurf konfrontiert, Teil einer organisierten Bande gewesen zu sein, die die deutschen Genehmigungsbehörden bis hinauf zum Bundessicherheitsrat gezielt hinters Licht führte – und daran gut verdiente. So ergibt es sich aus der fast 40-seitigen Anklageschrift, die Beyerles Wirken breitem Raum widmet.

Für Kontakte zu Ministerien zuständig

Es geht um Waffengeschäfte im Umfang von mehr als vier Millionen Euro, die nie hätten stattfinden dürfen. Geliefert wurde nach den Erkenntnissen der Staatsanwälte nicht in die offiziell angegebenen Regionen Mexikos, sondern in vier Unruheprovinzen. Für diese wäre wegen bürgerkriegsähnlicher Zustände und anhaltender Menschenrechtsverstöße fraglos keine Genehmigung erteilt worden. Zuständig für die Kontakte zu Behörden und Ministerien war bei Heckler & Koch ein Mann, der dort schon wegen seines vorherigen Berufslebens hohes Ansehen genoss: der Landgerichtspräsident a.D. Beyerle aus dem nahen Rottweil. Die Seriosität, für die dieser Titel zu bürgen schien, sollte offenbar auch auf seine neuen Aufgaben in Oberndorf ausstrahlen: zunächst als Behördenbeauftragter, dann als Ausfuhrverantwortlicher und schließlich als Geschäftsführer – bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2010.

Doch laut der Anklage soll der Ex-Gerichtschef alles andere als seriös agiert haben. In zwölf gesonderten Fällen werden ihm verbotene Kriegswaffenexporte und Verstöße gegen Ausfuhrvorschriften zur Last gelegt. Die Lieferungen nach Mexiko habe er zusammen mit anderen Angehörigen der „Bande“ möglich gemacht, als längst klar war, dass sie nicht genehmigt würden. Gewusst habe er das spätestens seit einem Besuch 2006 im Auswärtigen Amt. Der Jurist habe sich um die Nachweise für den angeblichen „Endverbleib“ gekümmert und sogar einen verräterischen Fehler ausgebügelt: Als die Beschaffungsbehörde in Mexiko, über die die Geschäfte abgewickelt wurden, einmal einen verbotenen Bundesstaat als Ziel aufführte, soll er das als harmlosen Irrtum dargestellt haben. Als Motiv vermuten die Ermittler bei ihm und weiteren Mitbeschuldigten schlicht Geldgründe: die Geschäfte seien für sie durchaus lukrativ gewesen.

Vorwürfe anfangs scharf bestritten

Anfangs hatte sich Beyerle noch vehement gegen jeden Verdacht gewehrt. Die Vorwürfe seien „absurd“ und würden wider besseres Wissen erhoben, schimpfte er; der mexikanische Markt sei für Heckler & Koch ohnehin „völlig unbedeutend“ gewesen. Nach seinem Abschied in Oberndorf, angeblich bedingt durch seine „Lebensplanung“, war von ihm kaum noch etwas zu hören. Bei seinem Verteidiger bemühte sich die StZ aktuell vergeblich um eine Stellungnahme; er sei derzeit nicht in der Kanzlei, hieß es nur.

Ob Beyerle und seine Ex-Kollegen am Ende als Angeklagte vor Gericht erscheinen müssen, entscheidet nun eine Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Stuttgart. Diese prüfe derzeit, ob die Anklage zugelassen werde, sagte eine Sprecherin; Termine seien noch nicht absehbar. Es handelt sich um jene Kammer unter Vorsitz des Richters Frank Maurer, die kürzlich das vielbeachtete Verfahren gegen die einstigen Porsche-Vorstände führte – und diese am Ende klar freisprach.

Höchstes Lob vom Justizminister

Auf der Homepage des Justizministeriums könnte Maurer übrigens immer noch nachlesen, welch hohe Wertschätzung Beyerle einst in der Justiz genoss. Bei dessen Verabschiedung überschlug sich der damalige Ressortchef Ulrich Goll (FDP) fast vor Lob. „Einsatzbereit, offen, engagiert, menschlich immer geradlinig“ – dem herausragenden Juristen sei „sein Beruf wie auf den Leib geschneidert“ gewesen. „Jede Herausforderung seiner langen Dienstzeit“, resümierte Goll, habe der scheidende Präsident „glänzend bewältigt“. Nun steht er vor einer Herausforderung neuer Art.