Sie sind die ersten in Baden-Württemberg: Die beruflichen Hedwig-Dohm- und Alexander-Fleming-Schule haben eine Partnerschaft mit der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel.

Stuttgart - Betroffenheit ist nur ein unzureichender Ausdruck für das, was Besucher der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem nahe Jerusalem empfinden. Sie erleben eine Überwältigung. Aus Gefühlen wie Trauer, Scham, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Denn hier bekommen die Opfer der Shoah, deren Zahl sechs Millionen, sich jeder Vorstellung entzieht, einen Namen, oft auch ein Gesicht und eine Biographie. Ein Leben, das ausgelöscht wurde.

 

Der Besuch von Yad Vashem war auch für Bärbel Hornberger-Fehrlen und David Lenzser, beide Lehrer am Stuttgarter Berufschulzentrum, bei ihrer ersten Reise nach Israel eine Selbstverständlichkeit. Es blieb nicht beim Besuch, sie knüpften den Kontakt mit dem German Desk, das Seminare für Lehrer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anbietet. Das war vor einem Jahr. Und jetzt konnte am Donnerstag die künftige Kooperation mit einem feierlichen Vertragsabschluss in der Hedwig-Dohm-Schule bereits besiegelt werden. Unterzeichnet haben dieses geschichtsträchtige Papier Dieter Göggel und Anton Metz, die Schulleiter der beiden beruflichen Schulen, Klaus Lorenz vom Kulturministerium und Anna Stocker von Yad Vashem. Als Verpflichtung, die Erinnerung wachzuhalten.

Wunsch nach vielen Begegnungen

2013 sei dieses Projekt der Partnerschaften mit Schulen ins Leben gerufen worden, ihre Zahl sei in den deutschsprachigen Ländern mittlerweile auf zehn angewachsen, berichtete Anna Stocker. „Was ist der pädagogische Ansatz?“, stellte sie die Frage. Die Antwort ist eindeutig: „Es ist die Arbeit gegen das Vergessen. Was geschehen ist, ist nicht wieder gut zu machen, die Verluste sind unwiderrufliche. Aber wir müssen die kommenden Generationen so erziehen, dass Verbrechen wie die Shoah nie mehr passieren können.“

„Wir verpflichten uns als Pädagogen gern, die Erinnerung wach zu halten und unterziehen uns dieser Aufgabe mit Verantwortungsbewusstsein und auf der Basis von Freundschaft und Vertrauen“, versicherten die Schulleiter mit einigem Stolz. „Die Shoah ist für uns ein zentrales Bildungsthema“, betonte auch der Vertreter des Kultusministeriums, Klaus Lorenz, der große Empathie und enge Verbundenheit mit Israel erkennen ließ: „Wer“, staunte er, „hätte einmal gedacht, dass eine solche Kooperation zwischen der Holocaust-Gedenkstätte und dem Land der Täter möglich ist?“. Er erlebe aber den regen Austausch junger Israelis mit Deutschen durch seine Tochter, die in Israel ein soziales Jahr absolviert habe, und er wünsche sich, dass es bei dieser Kooperation zu vielen Begegnungen komme: „Das ist eine wunderbare Entwicklung, die zum gemeinsamen Weg der Erinnerung verpflichtet.“

Es geht nicht um Schuld, sondern um Erinnerung

„Es gibt junge Leute, die mit dem Wort Auschwitz nichts mehr verbinden“, wusste Prälatin Gabriele Wulz zu berichten. Eine unsägliche Vorstellung nicht nur für sie, sondern auch für Michael Kashi vom Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRGW). Er wandte sich direkt an die Schüler und erzählte, dass er, 1948 in Israel geboren, mit dem Trauma des Holocausts groß geworden sei. Als alle Schüler regelmäßig Yad Vashem besuchen mussten, habe ihn das gelangweilt: Er wisse doch alles. Bis er spätestens in Deutschland begriffen habe, was ihm ein Überlebender versucht hatte, klar zu machen: dass einmal die Zeitzeugen nicht mehr erzählen können. „Wenn ihr jemand sagen hört, dass man einen Schlussstrich ziehen muss, dann schweigt nicht“, appellierte er an die Schüler. „Denn es geht nicht um Schuld, es geht um die Erinnerung.“

Die Pflege der Erinnerung ist hier jetzt in guten Händen. Mit Hilfe von Yad Vashem, das die Lehrer unterstützt und mit Material, Fortbildungsangeboten und Ansprechpartnern versorgt.