Die Zentralregierung geht im Osten mit aller Macht gegen die Separatisten vor. Auch im Süden kommt es zu Ausschreitungen – mit verheerenden Folgen. Moskau wirft Kiew die „Ermordung“ eigener Bürger vor. Barack Obama droht dem Kreml mit neuen Sanktionen.

Die ukrainische Armee hat gegen alle Warnungen aus Moskau mit schweren Waffen die prorussischen Separatisten im Osten des Landes angegriffen. Regierungstruppen rückten am Freitagabend mit Schützenpanzern in das Zentrum der besetzen Stadt Slawjansk vor. Die Aufständischen hatten im Tagesverlauf bereits zwei Kampfhubschrauber der Regierungstruppen abgeschossen. Beide Seiten sprachen von Toten und Verletzten. In der südukrainischen Millionenstadt Odessa kamen bei einem durch schwere Straßenschlachten verursachten Gebäudebrand Dutzende Menschen ums Leben.

 

Im überwiegend von russisch sprechenden Menschen bewohnten Odessa war es bisher vergleichsweise ruhig geblieben, nun eskaliert auch dort die Gewalt. Über Stunden lieferten sich zunächst ukrainische und prorussische Aktivisten Straßenschlachten, bei denen mindestens vier Menschen ums Leben kamen. Dann brach im örtlichen Gewerkschaftshaus das verheerende Feuer mit mindestens 31 Toten aus – laut der Regierung wurde es vorsätzlich gelegt.

Kremlchef Wladimir Putin sagte, die Offensive zerstöre die „letzte Hoffnung“ auf eine diplomatische Lösung, offenbar sei Kiew nun im Kampfmodus. Putins Regierungschef Dmitri Medwedew forderte, die Regierung in Kiew müsse die „Ermordung ihrer Bürger“ stoppen.

Die Separatisten brachten die festgesetzten OSZE-Inspekteure – darunter vier Deutsche – aus der Kampfzone, wie der örtliche Milizenchef Wjatscheslaw Ponomarjow sagte. Der Angriff habe alle Gespräche über einen eventuellen Gefangenenaustausch „zunichte gemacht“, hieß es.

Seit Wochen werden ein Dutzend Städte im Osten des Landes von prorussischen Milizen kontrolliert. Am Freitagmorgen läutete die ukrainische Armee die „aktive Phase“ ihres „Anti-Terror-Einsatzes“ gegen die Separatisten in Slawjansk ein, wie das Innenministerium erklärte. Interimspräsident Oleksander Turtschinow sprach kurz darauf von „vielen Toten“ sowie etlichen Verwundeten und Gefangenen auf Seiten der Separatisten. Das Verteidigungsministerium erklärte, „Terroristen“ hätten im Gebiet Slawjansk mit tragbaren Flugabwehrraketen zwei Kampfhubschrauber abgeschossen. Dabei seien zwei Besatzungsmitglieder getötet und weitere verletzt worden. Später seien vier mutmaßliche Schützen festgenommen worden.

US-Präsident Barack Obama betonte nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Weißen Haus, er strebe weiter eine diplomatische Lösung in dem Konflikt an. Zugleich drohte er, rasch weitere Sanktionen gegen Moskau zu verhängen, falls Russland die Lage weiter außer Kontrolle bringe. Merkel pflichtete ihm bei und forderte konkrete Taten von Moskau. „Es ist uns ernst“, sagte sie. Merkel sagte, die Diplomatie habe Vorrang. Doch könnten bei einer weiteren Eskalation schärfere Sanktionen „unvermeidbar sein“. Deutschland sei entschlossen, den weiteren Weg gemeinsam mit den USA zu gehen.