Rund 500 000 Bundesbürger erkranken jährlich an Krebs – und fragen sich nicht selten: Warum ich? Eine Studie zeigt: Viele Erkrankungen gäbe es nicht, wenn man diese Risiken miede.

Heidelberg - Wer raucht, bekommt höchstwahrscheinlich Krebs. Wer sich zu oft in die Sonne legt, erkrankt ebenfalls. Es gibt eindeutige Risikofaktoren, warum jährlich 476 000 Bundesbürger neu an Krebs erkranken. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg haben nun erstmals ermittelt, wie viele Krebserkrankungen in Deutschland auf das Konto von Risikofaktoren gehen, die man selbst hätte beeinflussen können. Die Forscher um den Epidemiologen Hermann Brenner zogen für ihre Berechnungen drei Informationen heran: die Statistiken, wie viele Menschen einem Risikofaktor wie etwa dem Rauchen ausgesetzt sind; Daten dazu, wie stark dieser Risikofaktor das Krebsrisiko steigert; und Prognosen dazu, wie viele 35- bis 84-Jährige in Deutschland neu an Krebs erkranken werden. Im Ergebnis zeigte sich, dass man mit einem gesünderen Lebensstil insgesamt 165 000, also mehr als ein Drittel aller Krebsfälle verhindern könnte.

 

Das bestätigt die Leiterin des Krebsinformationsdienstes des DKFZ: Zwar entstehe eine Krebserkrankung sehr oft zufällig, aufgrund von Fehlern im Erbmaterial, sagt Susanne Weg-Remers. Dennoch könne jeder sein Krebsrisiko verringern, „indem wir versuchen, einige der heute bekannten Risikofaktoren zu vermeiden“. Vor allem gegen häufigere Krebsarten wie Lungenkrebs, Darmkrebs, Hautkrebs und auch Brustkrebs ließe sich etwas tun.

Rauchen

Nach wie vor ist das Rauchen Risikofaktor Nummer eins. Ohne Tabak würden in diesem Jahr nicht 53 000, sondern 7000 Menschen an Lungentumoren erkranken, heißt es in der Studie. Insgesamt wäre bei den Männern fast jeder vierte Krebsfall und bei den Frauen jeder achte vermeidbar, wenn niemand zum Glimmstängel griffe, denn viele im Tabakrauch enthaltene Substanzen können das Erbmaterial der Zellen im Körper verändern und Krebs auslösen. Auch Passivrauchen erhöht das Risiko für Tumore der Lunge und des Kehlkopfs und Rachens. Betroffen sind vor allem Kinder rauchender Eltern zu Hause und im Auto, warnt der Krebsinformationsdienst. Wer nun glaubt, mit der E-Zigarette auf der sicheren Seite zu sein, irrt: Nach Einschätzung des DKFZ sind diese zwar deutlich weniger gesundheitsschädlich als Tabakzigaretten, doch in dem Aerosol wurden Substanzen wie Formaldehyd, Acetaldehyd, Nickel, Chrom und Blei nachgewiesen, die als krebserregend oder „möglicherweise krebserregend“ eingestuft sind.

Fleisch und Wurst

Rund acht Prozent aller Krebsfälle gehen auf das Konto ungesunder Ernährung. Wobei die Forscher betonen, dass darunter in erster Linie der Verzehr von zu wenig Obst und Gemüse und zu viel Wurst gemeint ist. Wurst steht schon länger unter Krebsverdacht, wegen der kanzerogenen Stoffe, die beim Räuchern und Pökeln entstehen. Das erhöht das Risiko für Dickdarm- und Enddarmkrebs. „Salz und rotes Fleisch tragen hingegen nur wenig zur Krebslast bei“, sagt der Heidelberger Epidemiologe und Studienautor Brenner. Wobei ein stets zu hoher Salzkonsum wohl auch das Risiko für Magenkrebs etwas erhöhen kann. Der Krebsinformationsdienst empfiehlt daher täglich mindestens 400 Gramm Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sowie möglichst 30 Gramm Vollkornprodukte zu essen. Der Verzehr von rotem Fleisch sollte weniger als 500 Gramm betragen.

Übergewicht

Zu viele Kilos sind für sieben Prozent aller Krebsfälle verantwortlich. Übergewicht fördert in erster Linie bösartige Tumore an Gebärmutter, Niere und Leber, weil das überbordende Fettgewebe einen starken Einfluss auf das Stoffwechsel- und Hormongeschehen im Körper hat. Abspecken lohnt sich also. Und dabei spielt es, wie eine Studie der Stanford University kürzlich herausgefunden hat, keine Rolle, ob man auf Low Carb oder Low Fat setzt – also weniger Kohlenhydrate oder weniger Fette isst. „Der wichtigste Faktor für den Erfolg einer Diät ist, dass sie durchgehalten wird“, erklärt Studienleiter Christopher Gardner. Und das funktioniere mit der Umstellung auf ballaststoffreiche, sättigende Ernährung am besten.

Sitzen

Rund sechs Prozent aller Krebsfälle wären vermeidbar, wenn die Menschen sich mehr bewegen würden – etwa bei einem flotten Spaziergang und dem Radeln zur Arbeit. 150 Minuten dieser moderaten Bewegungsformen pro Woche, so hat der World Cancer Research Fund ausgerechnet, würden schon ausreichen, dass Krebsrisiko deutlich abzusenken. Am besten verteilt auf sieben Tage die Woche, aber es bringt auch schon etwas, wenn man sie nur am Wochenende durchzuziehen schafft. Denn regelmäßiges Training beeinflusst biologische Vorgänge und Faktoren, die an der Entstehung von Tumoren beteiligt sind. Krebsforscher konnten belegen, dass Bewegung und Sportdas Risiko für Dickdarmkrebs und wahrscheinlich für Brust- und Gebärmutterkörperkrebs senkt. Bei weiteren Tumorarten wie Krebs der Niere, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Prostata, Eierstöcke und des Magens wird ein ähnlicher Zusammenhang vermutet.

Alkohol

Für den Alkoholkonsum gilt hingegen: Je weniger, umso besser. Seine Tagesdosis sollte weniger als zehn Gramm bei den Frauen und weniger als 20 Gramm bei den Männern betragen, das entspricht etwa ein bis zwei Glas Bier. Würden alle diese Mäßigung beherzigen, sänke das Krebsrisiko um zwei Prozent. Als wissenschaftlich bestätigt gilt, das Alkohol ein Risikofaktor für Krebserkrankungen der Mundhöhle, der Speiseröhre, der Leber, des Dick- und Enddarms, des Kehlkopfs sowie Brustkrebs ist. Außerdem kann zu viel Bier und Wein Magenkrebs auslösen. Übrigens: Bei Rauchern, die Alkohol trinken, erhöht sich mit steigendem Alkoholkonsum dieses Erkrankungsrisiko nochmals beträchtlich. Hinzu kommt, dass alkoholische Getränke kalorienreich sind. Wer weniger trinkt, nimmt leichter ab. Und das trägt ebenfalls dazu bei, das Krebsrisiko zu senken.