Das Bundesverfassungsgericht hat hohe Hürden aufgestellt, die übersprungen werden müssen, um das Grundrecht auf Versammlung zu beschneiden. Die juristische Volte, die Sachsens oberstes Verwaltungsgericht nun schlägt, ist nur schwer nachvollziehbar, kommentiert StZ-Redakteur Christian Gottschalk.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Dresden/Heidenau - Man kann den Verantwortlichen im Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge vielleicht zu Gute halten, dass sie die Sicherheit und Ordnung im Auge hatten, als sie zu dem Schluss gekommen sind, in Heidenau alle Veranstaltungen am Wochenende zu verbieten. Besonders klug war das allerdings nicht. Weder juristisch noch politisch ist die Entscheidung vertretbar. Es müssen schon besondere Wahrnehmungsdefizite im Amt vorhanden sein, wenn man ausgerechnet zu dem Zeitpunkt Veranstaltungen verbietet, an dem sich diejenigen zeigen wollen, die dem Bild des Dunkeldeutschland entgegen treten. Ob Kalkül oder Dummheit dahinter stecken, wäre noch interessant herauszufinden.

 

Das alles hatte das Dresdner Verwaltungsgericht nicht zu prüfen. Es hat die Entscheidung des Landratsamtes unter die juristische Lupe genommen und auch da genügend Material gefunden, das Missfallen erregt. Die Berufung auf einen polizeilichen Notstand war – hier wie so oft – vorschnell angewandt worden. Dieser Notstand gilt vielen als Offenbarungseid für den Rechtsstaat. Das Bundesverfassungsgericht hat hohe Hürden aufgestellt, die übersprungen werden müssen, wenn das Grundrecht auf Versammlung beschnitten wird. Das ist gut so, und es ist gut, dass die Dresdner Richter daran erinnert haben.

Entscheidung nur schwer nachzuvollziehen

Die Volte, die das Oberverwaltungsgericht Bautzen als Beschwerdeinstanz am frühen Abend vollzog, ist hingegen kaum zu verstehen. Hinsichtlich des Flüchtlingsfestes habe die Vorinstanz richtig entschieden, das dürfe stattfinden. Hinsichtlich aller anderen Veranstaltungen am Wochenende gelte etwas anderes – die seien abzusagen, lautet der Beschluss.

Aus der Sicht derer, die sich für einen menschlichen Umgang mit den Flüchtlingen aussprechen, hat das einen gewissen Charme. Das Willkommensfest, das zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits im vollem Gange war, konnte ungestört zu Ende gefeiert werden. An den Folgetagen hingegen hatten in erster Linie rechte Gruppen zu Protesten aufgerufen. Die finden nun nicht statt. Dass auch ein paar kleinere Demonstrationen von flüchtlingsfreundlichen Organisationen ausfallen, wirkt da wie ein hinnehmbarer Kollateralschaden.

Ob die sehr formelle Begründung der Richter hält, ist strittig. Unstrittig hat das Gericht jedoch versäumt, ein klares Bekenntnis zur Versammlungsfreiheit abzulegen. Das ist bedauerlich. Nicht einmal 20 Kilometer von Heidenau entfernt betritt regelmäßig die Drittligamannschaft von Dynamo Dresden ihre Arena. Zahlreiche Partien gelten als so genannte Hochrisikospiele. Hundertschaften von Beamten streifen dann um das Stadion, polizeiliche Not mag es da geben, polizeilichen Notstand nicht. Es wäre auch in Heidenau richtig gewesen, dieses Konstrukt in der Mottenkiste zu belassen. Auch wenn das bedeutet hätte, dass Vertreter beider Seiten ihre Meinung hätten kund tun können.