Die Bundesgartenschau im nächsten Jahr verändert grundlegend den Blick auf seine Stadt, da ist sich der Oberbürgermeister Harry Mergel sicher. Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt auf alle Fälle – er eröffnet die Schau.

Heilbronn - Heilbronn wird in der öffentlichen Wahrnehmung unter Wert gehandelt, davon ist Harry Mergel überzeugt. Am 5. Mai 2014 hat der SPD-Politiker und gebürtige Heilbronner als Nachfolger von Helmut Himmelsbach das Amt des Oberbürgermeisters angetreten. Das kommende Jahr mit der Bundesgartenschau (Buga) und der Eröffnung der neuen Experimenta biete Heilbronn „eine Jahrhundertchance, den Blick auf unsere Stadt zu verändern“. Dass diese dabei ganz erheblich vom Geld des Lidl-Chefs Dieter Schwarz profitiert, stört ihn nicht: „Was wäre Heilbronn ohne das Engagement dieses Mäzens?“, fragt er.

 
Herr Mergel, haben Sie Jürgen Resch, dem Chef der Deutschen Umwelthilfe, schon eine Eintrittskarte für die Bundesgartenschau nächstes Jahr zugeschickt? Sie könnten ihm zeigen, wie grün Heilbronn ist.
Nein, aber ich habe mit ihm telefoniert und ihn zu einem Gespräch hier bei uns eingeladen. Dabei habe ich erfahren, dass er eine Tante in Heilbronn hat. Ein Termin kam aber leider noch nicht zustande: Herr Resch ist zurzeit ja ein gefragter Mann.
Heilbronn gehört zu den elf Städten, gegen die die Deutsche Umwelthilfe kürzlich Klage eingereicht hat, weil die Stickoxid-Grenzwerte nicht eingehalten werden.
Das Problem haben wir an einer einzigen Stelle in der Stadt: an der Weinsberger Straße. Aber es stimmt, dort liegen wir bei den Stickoxiden über den Grenzwerten. Wir versuchen schon seit Jahren, unseren Luftreinhalteplan fortzuschreiben, kommen damit aber beim Regierungspräsidium nicht weiter. Dort ist man in erster Linie damit beschäftigt, die Stuttgarter Probleme in den Griff zu bekommen.
Die Klage kommt Ihnen also zupass?
Uns kommt die Klage insofern gelegen, als es uns hilft, endlich unseren Luftreinhalteplan fortzuschreiben. Unser Ziel ist es, Maßnahmen aufzunehmen, die es uns ermöglichen, die Bürger besser zu schützen – mit der Blauen Plakette etwa.
Blaue Plaketten wären ein gangbarer Weg?
Natürlich. Wir haben im Rahmen des Mobilitätsfonds eine Reihe von Maßnahmen beantragt: Das beginnt bei der Umstellung unseres Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge und der Einführung von Tempo 30 und reicht bis zur Digitalisierung des Verkehrsflusses. Dafür arbeiten wir auch zusammen mit Audi an technischen Innovationen.
Hat man bei Audi ein schlechtes Gewissen? Die Automobilfirmen haben mit ihren Betrügereien ja dazu beigetragen, die Probleme zu verstärken.
Wir sind im ständigen Kontakt mit Audi, wir sind ja Standortgemeinde. Ich habe durchaus den Eindruck, dass die Probleme der Kommunen gesehen werden und man versucht, uns zu unterstützen.
Sie betonen gerne, Heilbronn sei eine der dynamischsten Städte im Land, und beklagen, das werde zu wenig wahrgenommen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Tatsache ist: Der Börsenwert Heilbronns liegt aus meiner Sicht deutlich unter dem Substanzwert. Das lässt sich nicht auf eine Ursache reduzieren. Vielleicht haben wir in früheren Jahren zu wenig Wert auf unsere Außendarstellung gelegt. Der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter war sicher auch nicht gerade imagefördernd. Und dann hat Heilbronn halt nicht den Charme von Tübingen, weil die Stadt am 4. Dezember 1944 beinahe komplett zerstört wurde. Wir haben keine alte Bausubstanz. Aber das Megajahr 2019 ist für uns eine Jahrhundertchance, den Blick auf unsere Stadt zu verändern.
2019 findet die Bundesgartenschau statt, und die neue Experimenta wird eröffnet.
Die Menschen werden feststellen: Nicht nur die Bundesgartenschau ist ein Gesamtkunstwerk. Auch die Stadt ist außerordentlich privilegiert mit ihrer idyllischen Lage zwischen Weinbergen und dem Neckar. Ich hoffe aber auch, dass die Buga die Identifikation der Heilbronner mit ihrer Stadt noch verbessert. Wir haben bei unserem Fest zum Vorverkaufsstart bis zum Abend fast 7000 Dauerkarten verkauft. Übrigens liegt uns jetzt die Zusage vor, dass der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unsere Gartenschau eröffnen wird.
Was stellen Sie sich vor: Wie soll Heilbronn nach der Bundesgartenschau wahrgenommen werden?
Ich hoffe als sympathische, erfolgreiche, dynamische, weltoffene kleine Großstadt.
Vieles von dem, was hier passiert, wird von einem Ihrer Bürger finanziert: dem Lidl-Gründer Dieter Schwarz. Auch die Experimenta und die Zusammenarbeit der Hochschule mit der Technischen Universität München sind dadurch möglich. Macht Sie das nicht abhängig von der Familie?
In keiner Weise. Was wäre Heilbronn ohne das Engagement dieses Mäzens? Vieles hätten wir nicht, das muss man offen sagen. Andererseits sind wir in der glücklichen Lage, sehr stabile Gewerbesteuereinnahmen zu haben, weil wir eben nicht von einem Unternehmen abhängig sind, sondern es einen breiten Mix an gesunden Firmen bei uns gibt. Dass hier jemand lebt, der sehr erfolgreich war und seine Beziehung zu der Stadt dadurch zum Ausdruck bringt, dass er Gutes tut, ist nicht verwerflich. Davon profitiert Heilbronn, davon profitiert im Übrigen die ganze Region.
Aber das setzt Sie doch unter Druck: Was, wenn Herr Schwarz den Geldhahn zudrehen sollte?
Wenn Sie unter Druck verstehen, dass die Schlagzahl in der Stadtverwaltung beträchtlich ist, weil wir das Ganze ja begleiten und etwa schauen müssen, wo die Studenten wohnen können, dann haben Sie recht. Wir haben bald 10 000 Studenten allein auf dem Bildungscampus. Wir müssen dafür sorgen, dass die alle gut unterkommen und sich wohlfühlen. Das verändert die Stadt, macht sie jünger und lebendiger. Ich hoffe ja sehr, dass ich im Herbst das Schild „Universitätsstadt Heilbronn“ am Stadteingang aufhängen darf. Mit dem Regierungspräsidium stehen wir darüber schon im Austausch.