Je größer die Stadt, desto größer die Probleme
Auch in der Region Stuttgart ist Gerlingen erfolgreich und liegt bei den 25 größten Städten mit 6,89 Punkten auf dem dritten Rang hinter Bietigheim-Bissigen (6,93 Punkte, Platz 2) und dem regionalen Spitzenreiter Kirchheim/Teck mit 6,99 Punkten.
In der regionalen Tabelle liegt Leonberg mit 5,58 Punkten auf Platz 22, umrahmt von Böblingen (Platz 21, 5,68 Punkte) und Sindelfingen (Rang 23, 5,40 Punkte). Anhand solcher Ergebnisse könnte man meinen, dass größere Städte größere Probleme, entsprechend schlechtere Bewertungen haben. Selbst die als pittoresk geltende Stadt Esslingen liegt mit 5,20 Punkten nur knapp vor Böblingen auf Platz 20.
Esslingen ist mit fast 95 000 Einwohnern auf dem Weg zur Großstadt, genau wie das etwa gleich große Ludwigsburg. Doch die Barockstadt liegt immerhin mit 6,64 Punkten in der Region auf Platz 6, direkt hinter der mit gut 45 000 Einwohnern auch nicht eben kleinen Stadt Fellbach auf Rang 5 (6,68 Punkte).
Natürlich sind in größeren Städten die Themen Verkehr, Sauberkeit und Sicherheit zumeist problembeladener. Aber das erklärt zum Beispiel nicht, warum das mit knapp 20 000 Einwohnern vergleichsweise kleine Korntal-Münchingen auch im regionalen Ranking mit 5,39 Punkten vor Sachsenheim (5,12) auf dem vorletzten Platz liegt.
Rutesheim geht unbürokratisch vor
Es ist ein großer Cocktail, der zu guten oder schlechten Noten führt. Die in der lokalen Bewertung zweitplatzierte Stadt Rutesheim, die in fast allen Bereichen nur knapp hinter Gerlingen liegt, ist bekannt für eine dienstleistungsorientierte Verwaltung, die bürokratische Hürden etwa bei Unternehmensansiedlungen zumeist schnell und geräuschlos beiseite räumt. Darüber hinaus wird im Rathaus des zur Stadt gewordenen Dorfes darauf geachtet, dass bei der schwierigen Suche nach Wohnraum vor allem die eigenen Leute zum Zug kommen. So etwas kommt an.
In Weil der Stadt ist der Zusammenhalt erkennbar stark. Identitätsstiftend dürfte hierbei die Narrenzunft AHA sein, die mit ihren zahlreichen Untergruppen nahezu alle Bevölkerungsschichten durchdringt. Auch die Verwaltungsspitze lebt Gemeinsamkeit vor. Bürgermeister Christian Walter und sein Stellvertreter Jürgen Katz, die bei der Wahl vor drei Jahren noch gegeneinander angetreten waren, demonstrieren das nicht nur bei Auftritten in der Fasnet.
Ganz im Gegensatz zur Leonberger Rathausspitze, wo der Oberbürgermeister Martin Georg Cohn seine Stellvertreterin Josefa Schmid wegen, wie er sagt, „gravierender Vergehen“ suspendiert hat und sich beide verklagt haben. Die offene Feindschaft hat zwar keine direkten Auswirkungen auf das Stadtleben, trägt aber auch nicht zur allgemeinen Stimmungsaufhellung bei.
Unabhängig davon hat Leonberg besonders in der Innenstadt ein massives Verkehrsproblem. Der Bau einer dringend benötigten Umgehungsstraße ist über Jahrzehnte verschlafen worden, das Zentrum ist auseinander gerissen, der pittoreske Marktplatz vom Haupthandelsort, dem Leo-Center, abgeschnitten. Mittlerweile gibt es etliche interessante Lösungssätze, doch deren Umsetzung wird dauern.
Mentalitätsunterschiede in Korntal-Münchingen
Und Schlusslicht Korntal-Münchingen? Hier ist wohl das zentrale Problem, dass die beiden Teile allein schon geografisch durch die Autobahn gar nicht zusammenwachsen können. Auch von der Mentalität sind sich das „heilige“ Korntal und das alte Bauerndorf Münchingen nicht eben ähnlich. Der Ortsteil Kallenberg liegt eingequetscht am Rande von Stammheim, das schon zu Stuttgart gehört. Ein echtes Gemeinschaftsgefühl kann so nur schwer aufkommen. Vielleicht gelingt dem neu gewählten Bürgermeister Alexander Noak hier eine Trendwende.
Das Spannungsfeld zwischen Stadt und Dorf ist besonders in Ditzingen und Renningen zu beobachten: Beide Städte sind in den vergangenen Jahren markant gewachsen. Das neu entstehende Bahnhofsviertel der großen Kreisstadt an der Glems hat urbane Züge. Am Rankbach ist beim Wachstum des Wohngebiets Schnallenäcker zwischen Renningen und Malmsheim noch lange kein Ende in Sicht. Was einerseits dringend benötigten Wohnraum schafft, verändert andererseits den Charakter einer Gemeinde.
Mit solchen Problemen haben auch die ländlich geprägten Orte Hemmingen und Weissach zu kämpfen. Hemmingen ist ein regelrechter Verkehrsknotenpunkt, hier laufen wichtige Straßen zusammen. Eine idyllische Dorfmitte ist so kaum vorstellbar. In Weissach ist das benachbarte Entwicklungszentrum von Porsche Fluch und Segen gleichermaßen. Die satten Steuergelder des Herstellers von Luxuskarossen füllen die Gemeindekassen. Doch die Blechlawinen, die sich morgens und abends durch die engen Straßen drängen, stehen im krassen Gegensatz zur Idylle des Strudelbachtals.
Pluspunkt Weinberge
Und der Klassenprimus Gerlingen? Hier ist die Stadt-Land-Kombination einer der Erfolgsfaktoren. Mit der U-Bahn ist der direkte Anschluss nach Stuttgart vorhanden, die Stadt selbst hat einen guten Mix an Geschäften und Gastronomie. Und Wein wächst auch noch in der eigenen Gemarkung.
Dieses Qualitätsmerkmal hat sonst nur noch Leonberg zu bieten, genauer gesagt Eltingen. Womit wir beim Thema lokale Eifersüchteleien angelangt wären, die indirekt gewiss bei mancher weniger guten Bewertung eine Rolle gespielt haben dürften. Aber gegen solche Befindlichkeit ist noch kein rationales Kraut gewachsen.