Im Herbst 1776 ist die evangelische Kirche in Heimerdingen völlig abgebrannt. Die Gemeinde hat sich daraufhin viel Geld geliehen und in Rekordzeit ein neues Gotteshaus errichten lassen.
Die Kirchengemeinde Heimerdingen kann so langsam mit den Vorbereitungen beginnen, um 2026 eines besonderen Anlasses zu gedenken. Sie wurde nämlich im Spätherbst des Jahres 1776 schwer getroffen, wie zwei Dokumente belegen, die jetzt im Internet-Handel aufgetaucht sind.
„Die hiesige Gemeinde hat das Unglück erlitten, daß ihre Kirche samt dem Thurm, Uhr und Gloken den 2ten Nov. 1776 durch eine Feuersbrunst völlig eingeäschert worden“, heißt es in einem handschriftlich verfassten Schriftstück vom 17. Mai 1777. Aber einen richtigen Grund zum Feiern gibt es 2027, denn dann sind es 250 Jahre, dass die rührigen Heimerdinger in nur 23 Wochen Bauzeit eine neue Kirche errichtet haben – sich aber für 30 Jahre hoch verschuldeten.
Was war geschehen? Es war an einem Samstagnachmittag, als im Stall des Adlerwirts Johann Konrad Schwarz auf unbekannte Weise ein stark nach oben loderndes Feuer ausbrach. „Die heftigst wütende Flamme konnte nimmer gedämpft werden, so geschah es, daß solche den nahen Glockenturm zuerst und dann auch die Kirche selbst ergriffen und besonders das letzte Gebäude in Zeit weniger Stunden gänzlich in Asche gelegt“, schreibt der Verwalter des Kirchenvermögens Georg Friedrich Speißer in seiner Heiligenpflegrechnung.
Auch das Schulhaus und das Rathaus wurden beschädigt
Die obere Hälfte des Schieferturms der Kirche bestand aus Fachwerk und fing zuerst Feuer. Dieses bekam von einem Wind, der aus Richtung Rutesheim wehte, zusätzlichen Auftrieb. Weil das Feuer von oben nach unten brannte, konnte Pfarrer Schöllkopf den Kelch und die Patene, die Hostienschale, retten. Aber die „Pfaffische Bibel“ und die biblischen Summarien auf der Kanzel seien ein Raub der Flammen geworden. 1729 hatte der Verleger Cotta die zweibändige sogenannte Pfaff-Bibel des Theologen Christoph Matthäus Pfaff herausgegeben. Sie sollte sowohl individueller Frömmigkeit dienen als auch den Ansprüchen einer wissenschaftlichen Benutzung genügen.
Auch das Schulhaus und das Rathaus wurden bei dem Brand stark beschädigt, doch der Einsatz der Dorfbewohner rettete die Gebäude vor der völligen Zerstörung. Im engen Rathaus fanden dann später auch die Gottesdienste statt. Eine Welle der Anteilnahme für Heimerdingen ergriff das Herzogtum Württemberg. Sammlungen wurden veranstaltet, kirchliche Gemeinden und weltliche Kommunen spendeten Geld, um die Kirche wieder aufzubauen. Doch das war nicht so einfach. Die Heimerdinger waren voller Tatendrang und guten Willens. Schnell räumten sie die Brandstätte auf, doch die Spenden reichten nicht aus für einen Neubau. Einfach zur Bank zu gehen und einen Kredit aufzunehmen, das gab es Ende des 18. Jahrhunderts nicht.
In der Regel gaben wohlhabende Leute, aber auch Verwaltungen von Kirchen- und Almosenpflegen oder Stiftungen Darlehen. Der erste Geldgeber für die Heimerdinger war am 17. Mai 1777 der Leonberger Oberamtmann Simon Heinrich Weinmann, was damals etwa einem heutigen Landrat entsprach. Dafür wurde eine schriftliche „Obligatio“, eine Verpflichtung, verfasst. Die Heimerdinger verpflichteten sich, fünf Prozent Zinsen zu zahlen.
Beglaubigen ließen die beiden Parteien den Vertrag mit Siegel vom „Amtsbürgermeister zu Leonberg“, Wilhelm Gottfried Burck (1720-1793). Er war ein äußerst wohlhabender Kaufmann und gab den Heimerdingern im September 1777 ein Darlehen von 500 Gulden. Als Burck starb, setzten ihm seine Kinder im Friedhof an der Seestraße ein riesiges metallenes Epitaph mit dem Familienwappen. Die unter Denkmalschutz stehende, gut erhaltene Grabplatte ist die einzige dieser Art in Leonberg.
9400 Gulden auf dem Kapitalmarkt besorgt
Doch billiges Geld waren die 600 Gulden nicht, die sich die „Commun Heimerdingen“ dazu von Oberamtmann Weinmann geliehen hatten. 18 Jahre lang zahlten die Gläubiger brav 30 Gulden Zinsen, bis sie dann 1795 und 1796 jeweils 300 Gulden „in baar“ aufbrachten, und Schulden „heimbezahlen“ konnten.
Den höchsten Betrag, 2000 Gulden, haben sich die Heimerdinger vom Stuttgarter Gemeinderat von Taubenheim geborgt. Auch der Stuttgarter Stallmeister Bühler war mit 1000 Gulden im Geschäft. Die Heiligen Almosenpflege zu Renningen hatte 700 Gulden übrig, die sie zu einem guten Zinssatz ausleihen konnte. Insgesamt hat die Gemeinde Heimerdingen so 9400 Gulden auf dem Kapitalmarkt für den Wiederaufbau der Kirche zusammengetragen.