Der Heimatkreis eröffnet eine Ausstellung und veröffentlicht ein Werk über das Leben im Ort vor 250 Jahren: „Das Leben in einem württembergischen Dorf am Ende des 18. Jahrhunderts. Nach den Kirchenkonventsprotokollen von 1776 bis 1804“.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Weilimdorf - Erika Portens Liste ist lang. Die Vorsitzende des Weilimdorfer Heimatkreises hat viele historische Themen im Hinterkopf, die sie nach und nach aufarbeiten und bekannt machen möchte. Nun hat sie zwei Projekte gleichzeitig in Angriff genommen: Eine neue Ausstellung in der Heimatstube, die an diesem Freitag eröffnet wird, wie auch ein neues Druckwerk, das am Wochenende auf dem Weilimdorfer Weihnachtsmarkt zu kaufen sein wird. Die Ausstellung trägt den Titel „Brett vorm Kopf? Volkspoesie auf Holz“. Zu sehen sind Bretter, auf denen mit Kerbschnitzerei und Brandmalerei Sprüche eingraviert sind. Mal mit religiösem Hintergrund, mal mit einem Augenzwinkern, mal mit erhobenem Zeigefinger werden Weisheiten, Weltsichten oder Ermahnungen verkündet. Eine Kostprobe: „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.“ Oder: „Bleibe fromm und halte dich recht.“ In einer Wirtsstube war wohl der Spruch platziert: „Zu rechter Zeit ein guter Trunk, macht froh das Herz bei Alt und Jung.“

 

„Ausklang einer Periode, die schon im Altertum angefangen hat“

Die künstlerisch gestalteten Bretter stammen aus dem Fundus des Weilimdorfer Sammlers Carl Maier. Von etwa 500 Werken sind in der Heimatstube im Alten Pfarrhaus 68 ausgestellt. Sie alle sind zwischen 1880 und 1930 entstanden. „Damals waren diese Sprüche en vogue“, sagt Erika Porten. Sie waren häufig im Eingangsbereich eines Hauses oder in der Stube über dem Sofa aufgehängt. Neu war dieser Brauch aber nicht: „Die Bretter sind der Ausklang einer Periode, die schon im Altertum angefangen hat“, sagt die Hobbyhistorikerin. Damals seien Weihsprüche oder Bitten an die Götter zum Beispiel an Burgen oder öffentlichen Gebäuden angebracht gewesen. Um 1500 wurde der Brauch auch von Bürgern aufgegriffen, „die Sprüche wurden immer trivialer“, berichtet Porten. Später kam in Mode, die Weisheiten auch auf Ofenkacheln zu verkünden. Erika Porten gefällt an den Tafeln, dass sie das Lebensgefühl jener Zeit widerspiegeln. „Die Menschen haben die Sprüche geliebt, sie haben sich daran gehalten.“

Ein kleiner Schatz, der 250 Jahre im Ort dokumentiert

Das zweite Projekt von Erika Porten ist mit 500 Exemplaren frisch aus der Druckerei eingetroffen: Es ist die Jahresarbeit von Hella Pflantz. Die pensionierte Lehrerin hat das knapp 70 Seiten umfassende Werk 1953 verfasst, um zur zweiten Dienstprüfung zugelassen zu werden. Der Titel der Arbeit lautet: „Das Leben in einem württembergischen Dorf am Ende des 18. Jahrhunderts. Nach den Kirchenkonventsprotokollen von 1776 bis 1804.“ Die heute 85-Jährige erinnert sich an die Sommerferien vor 50 Jahren, in denen sie in ihrer kleinen Stube in Feuerbach über den Dokumenten aus dem Archiv der Oswaldkirche brütete. Die Mühe lohnte sich doppelt, denn zum einen wurde Hella Pflantz als Lehrerin zugelassen und unterrichtete viele Jahre an der Wolfbuschschule und der Realschule Weilimdorf. Zum anderen ist die Arbeit für den Heimatkreis ein kleiner Schatz, der das Leben im Ort vor 250 Jahren dokumentiert.

„Es liest sich so spannend wie ein Krimi“, sagt Erika Porten. Beim Lesen entfalte sich vor dem inneren Auge die Periode der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege. „Die Arbeit spiegelt die Zeit mit all dem Kummer und den Nöten und auch den schönen Dingen des Lebens wider“, sagt die Vorsitzende des Heimatkreises.

Hella Pflantz berichtet zum Beispiel von einer Verhandlung des Konvents über Kinder, die im Gottesdienst gestört haben. Besonders berührte sie die Geschichte einer jungen Frau, die sich im Tachensee ertränkte, weil sie schwanger war. Erika Porten hält es für wichtig, der jungen Generation aufzuzeigen, wie vor nicht allzu langer Zeit Menschen in großer Armut in Weilimdorf gelebt haben.