Eine exklusive Führung im Plieninger Heimatmuseum beweist: Geschichte kann auch völlig unverstaubt aufbereitet werden. Wer es richtig macht, verschafft Schafschuhen einen exponierten Platz und lässt die Besucher Filderkrautköpfe stapeln.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen/Birkach - Eines gleich vorweg: Der Begriff Museum produziert schnell falsche Bilder im Kopf. Von ausgestopften Tieren, ellenlangen Schrifttafeln, Exponaten in Glasvitrinen, von solchen Dingen. Besucher des Plieninger Heimatmuseums, die derlei erwarten, werden überrascht. Mutmaßlich positiv. Denn den Planern ist es gelungen, die Vergangenheit in die Gegenwart zu geleiten, und das auf eine höchst unterhaltsame und spannende Weise.

 

Die Kurzweile ist also einerseits der Kreativität der Stuttgarter Museumsplaner zu verdanken, andererseits aber auch der lockeren Herangehensweise Anja Dauscheks. Die Chefin des Planungsstabs fürs Stuttgarter Stadtmuseum hat jüngst fünf Bezirksbeiräte und die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel in anderthalb Stunden launig durchs Heimatmuseum geführt.

Handyfotos von der Kappenprobe

Dass dies nicht lobhudelnd ist, sondern realistisch, würden die Bezirksbeiräte bestimmt sofort unterschreiben. Sie staunten über die lebensnahen Filderkrautköpfe, streichelten über den Wirtshaustisch mit all den studentischen Schnitzereien, lauschten dem Lied „Plieningen, Perle der Filder“, gesungen vom Sängerbund, nahmen die alte Spätzlemaschine zur Kenntnis, probierten die Kappen aus der alten Schadschen Werkstatt an und fotografierten sich dabei mit dem Handy.

Die Lokalpolitiker entdeckten aber auch Bekanntes: den Sportanzug des Ehemannes, die Eckbank, auf der vor etlichen Jahren geheiratet worden ist, die Großmutter auf dem Gruppenfoto, oder den Krauthobel, der aussieht wie der eigene daheim. „Ohs“ und „Ahs“ gehörten zu diesem Abend wie der Farbgeruch, der sich noch nicht ganz verzogen hat. Das Museum, das aus der Geschichte Plieningens und Birkachs erzählen will, ist erst im Mai in der Zehntscheuer eröffnet worden.

Ein lederner Schuh fürs kranke Schaf

Viele Jahre lang schlummerte das Heimatmuseum Plieningen – nett ausgedrückt – in einem Dornröschenschlaf im Alten Rathaus. Die Exponate waren wild zusammengewürfelt, die Räume überfüllt. So geht vieles unter, zieht eher nicht in seinen Bann. Ganz anders am neuen Ort. Da hat der lederne Schuh fürs kranke Schaf einen exponierten Platz bekommen, da sind die Küchenutensilien nach Rezepten wie Grießpudding oder Blutwurst geordnet, aus dem Asemwald ist ein Originalfenster ausgestellt, der Blick dadurch geht aufs abfotografierte Birkacher Feld.

Die Flagge des Sängerbundes im Schrank ist für neugierige Finger tabu, doch das Berührverbot gilt keineswegs flächendeckend im Heimatmuseum. Die Planer haben sich allerlei „touch ons“ ausgedacht, wie Dauschek sagt. Darunter sind Gegenstände zu verstehen, die angefasst werden dürfen und sogar sollen. Sei es das Filderkraut, das richtig gestapelt werden will, seien es die hölzernen Zwetschgen, Äpfel, Birnen und Kirschen, die von Birkachs Obstbaugeschichte erzählen.

Samstags und sonntags hat das Heimatmuseum geöffnet. „Der Samstag ist noch ein bisschen mager“, sagt Dauschek und meint den Besucherzustrom. Im Schnitt kämen zehn bis 15 Leute, sagt sie. Sonntags geht die Tür indessen öfters auf, 20 seien es eigentlich immer, und neulich seien sogar 50 da gewesen.

Öffnungszeiten des Museums

Das Heimatmuseum Plieningen in der Zehntscheuer ist samstags von 14 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet; der Eintritt ist frei. Es werden zudem Führungen angeboten. Termine können vereinbart werden, Telefon 21 69 64 00 oder per Mail an stadtmuseum@stuttgart.de. Bei Führungen fallen Kosten von drei Euro pro Person an.