In manchen Regionen verschärft der Mangel an Fachkräften die Pflegenot. Kann ein anderer Personalmix helfen? Betreiber fordern das.

Stuttgart - So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben – das wünschen sich die meisten Menschen im Alter. So auch die Mutter von Barbara Pausch. Irgendwann aber ging es einfach nicht mehr. Nach mehreren Stürzen blieb der 89-Jährigen aus Isny nur das Pflegeheim. Allerdings: Die Suche nach einem freien Platz gestaltete sich nicht nur für die Tochter schwierig und nervenaufreibend. Eine Erfahrung, die derzeit offenbar viele Angehörige von Pflegebedürftigen machen. Zumindest, wenn man den Schilderungen von Heimleitern folgt, deren Häuser voll belegt sind.

 

„Ich habe sämtliche Heime in der Gegend abtelefoniert, nirgendwo gab es einen Platz für unsere Mutter“, berichtet Barbara Pausch, die ebenfalls in Isny lebt. Nicht einmal im benachbarten Bayern sei sie fündig geworden. Nach fünf Wochen habe sich die Familie schweren Herzens entschlossen, die Mutter in einem Heim in Waldshut unterzubringen. Dort lebt eine weitere Tochter. „Ich fahre alle zwei Wochen aus dem Allgäu nach Südbaden, um meine Mutter zu sehen. 200 Kilometer hin, 200 zurück“, sagt Pausch. Sie setzt darauf, dass es eine Übergangslösung bleibt und bald ein Platz in Isny frei wird.

Was Angehörige von Pflegebedürftigen meist nicht wissen: In vielen Pflegeheimen, die Bewerber ablehnen, gibt es durchaus noch freie Plätze. Sie können aber nicht vergeben werden, weil die Häuser die gesetzlich vorgeschriebene Fachkraftquote von 50 Prozent nicht erfüllen. In diesen Fällen verhängt die staatliche Heimaufsicht einen Belegungsstopp, wenn die Träger nicht schon von sich aus reagieren und keine neuen Bewohner mehr aufnehmen. Weil der Arbeitsmarkt in manchen Regionen des Landes vollkommen leer gefegt ist, sind die Häuser nicht in der Lage, freie Stellen mit examinierten Pflegerinnen und Pflegern zu besetzen.

„In manchen Familien ist die Lage dramatisch“

Die Träger befinden sich gleich doppelt in einer misslichen Lage. Zum einen verlieren sie Einnahmen, wenn leer stehende Betten und Zimmer nicht belegt werden können; zum anderen sind sie gezwungen, Bewerber abzulehnen, die dringend einen Heimplatz benötigen. Das verschärft den Mangel an Plätzen in der stationären Pflege, der in manchen Regionen Baden-Württembergs zunehmend zu herrschen scheint, aber mit Zahlen nicht zu belegen ist. Eine entsprechende landesweite Statistik ist nicht verfügbar.

Nach Einschätzungen von Pflegeheimmanagern ist die Lage mancherorts äußerst angespannt. „Wir können uns vor lauter Anfragen nicht retten“, sagt Frank Höfle, Geschäftsführer des katholischen Altenhilfezentrums Isny. Sein Haus ist voll belegt, er hat inzwischen sogar die Warteliste schließen müssen. Höfle zeigt sich bewegt von den Schicksalen der Menschen, denen er keinen Platz anbieten kann. „In manchen Familien ist die Lage dramatisch“, so Höfle. Es bleibe nichts anderes übrig, als die Pflegebedürftigen so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit zu halten. Das verlange zumal den Angehörigen viel ab.

Ein Belegungsstopp blieb Höfle bisher erspart, obwohl auch sein Haus die 50-Prozent-Fachkraftquote nicht erreicht. Der Pflegemanager nutzt eine Ausnahmeregelung des Landes. Danach ist eine Absenkung auf 40 Prozent möglich, wenn 20 Prozent Assistenzkräfte beschäftigt werden, also Pflegehelfer mit einjähriger Ausbildung. Die restlichen Mitarbeiter können dann ungelernte Kräfte sein. Höfle lobt die Landesregierung ausdrücklich dafür, dass sie den Häusern mehr Flexibilität in Sachen Fachkraftquote zugesteht. Mittelfristig werde das aber nicht ausreichen, um die stetig steigende Zahl von Pflegebedürftigen zu versorgen. Die Quote müsse deshalb weiter sinken. Höfle sieht den Zielwert bei 25 Prozent. Sein Fazit lautet: „Besser, man wird von angelernten Kräften versorgt, als dass man gar nicht versorgt wird.“

Heimbetreiber fordern Entlastung von Fachkräften

Auch Alfons Maurer, Vorstand der Paul-Wilhelm-von-Kepler-Stiftung, eines katholischen Heimträgers mit Sitz in Sindelfingen und 23 Standorten sowie 1900 Plätzen in ganz Württemberg, spricht sich für eine weitere Absenkung der Fachkraftquote aus. „Ein Drittel Pflegefachkräfte, ein Drittel Pflegeassistenten mit einjähriger Ausbildung und ein Drittel angelernte Pflegehelfer – bei diesem Personalmix würde es nach meiner Auffassung keine Qualitätseinbußen geben“, sagt er.

Laut Maurer übernehmen Fachkräfte heute viele Aufgaben, für die sie eigentlich überqualifiziert sind. Sie müssten zum Beispiel das Essen reichen, wenn Bewohner Hilfe benötigen. „Das können wir uns angesichts des Personalmangels eigentlich nicht mehr leisten“, so Maurer. Es gelte, „die Fachkräfte in der stationären Pflege zu entlasten, das ist machbar“. So sollten neben Pflegehelfern auch die sogenannten zusätzlichen Betreuungskräfte Essen reichen dürfen, die bisher mit den Heimbewohnern etwa basteln oder lesen. Höfle schlägt vor, dass auch Pflegeassistenten Medikamente ausgeben. Das ist bisher den Examinierten vorbehalten.

Uwe Seibel, Landesgeschäftsführer des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, sieht in der Senkung der Fachkraftquote keine Lösung. Das würde bestehende Qualitätsprobleme nur verschärfen und Arbeitsbedingungen verschlechtern, sagt er. Am Ende würden nur noch mehr Fachkräfte den Pflegeheimen den Rücken kehren.