25 Jahre lag hat Hubert Fluhr die Geschicke der Justizvollzugsanstalt geleitet. Jetzt ist er im Ruhestand und hinterlässt große Fußstapfen.

Heimsheim - Als das Gefängnis in Heimsheim gebaut wurde, hatten viele Menschen Bedenken. Heute gehört der Komplex wie selbstverständlich zur Schleglerstadt. Ein Mann hat diese Entwicklung von Anfang an und aus der ersten Reihe miterlebt. Etwa ein dreiviertel Jahr nach der Inbetriebnahme wurde Hubert Fluhr Anstaltsleiter – und blieb es 25 Jahre lang. Wie berichtet, hat der 65-Jährige im Herbst 2016 seinen Schlüsselbund an den Nachfolger Frank Jansen weitergegeben. Im LKZ-Gespräch verrät Fluhr, was ihn in der Zeit am Gefängnis am meisten bewegt hat und wie er seinen Ruhestand genießen möchte.

 
Herr Fluhr, Sie waren 25 Jahre JVA-Leiter in Heimsheim. Fühlt es sich denn auch so an, oder denken Sie eher: Das war doch erst gestern, dass ich hier angefangen habe?
Es fühlt sich schon wesentlich kürzer an. Im Vorfeld denkt man immer, wenn man so eine Zahl hört: Das ist eine sehr, sehr lange Zeit, aber im Nachhinein muss ich sagen, dass es sehr kurzweilig war. Es gab keine Zeit, in der ich mich gelangweilt hätte.
Am Anfang waren die Bürger sehr skeptisch, als es hieß: Heimsheim bekommt ein Gefängnis. Was ist von dieser Skepsis geblieben?
Die Heimsheimer Bevölkerung akzeptiert die Anstalt voll und ganz, es gibt keine Proteste mehr. Sicherlich ist das auch das Ergebnis unserer Arbeit, dass wir die Bürger an die Einrichtung herangeführt, Kontakte zur Stadt gepflegt und den Dialog gesucht haben. Auch die Sportvereine haben wir hereingeholt. So haben wir es geschafft, dass Heimsheim sich zu dem Gefängnis bekennt.
In den vergangenen 25 Jahren hat sich also vieles getan. Auf welche Entwicklung sind Sie besonders stolz?
Da gibt es viele kleine Dinge, angefangen mit der Einführung von Behandlungsprogrammen. Behandlung von Gefangenen, das ist der beste Opferschutz. Wenn ich Gefangene behandle, damit sie nicht rückfällig werden, tue ich etwas für die Opfer. Sicherheit gehört natürlich dazu – wie Papier und Druckerschwärze bei der Zeitung. Aber das ist nicht das einzige Wesen des Strafvollzugs. Ich bin auch froh, dass die Mitarbeiter dabei immer mitgezogen haben, denn all das kann man alleine natürlich nicht schaffen. Dann gibt es noch die neuen Besuchsräumlichkeiten, über die ich glücklich bin, und, wie gesagt, dass wir es geschafft haben, die Sporthalle zu öffnen.
Damit meinen Sie, dass in der Halle abends örtliche Sportvereine trainieren dürfen. War es denn schwierig, das durchzusetzen?
Nein, gar nicht, ich habe es einfach gemacht. Aber es war trotzdem wichtig. Die Bürger kamen zu uns und sagten dann: So eine schöne Halle haben wir nicht mal bei uns, das kann doch eigentlich nicht sein. Da kam mir der Gedanke: Zu Zeiten, in denen dort nicht trainiert wird, kann man die Halle doch den Vereinen anbieten.
Gibt es auch etwas, das Sie nicht mehr geschafft haben, das Sie aber gerne noch umgesetzt hätten, bevor Sie gegangen sind?
Ich hätte gerne noch erlebt, dass bessere Bedingungen für die Langzeitbesuche geschaffen werden. Also wenn die Familie nicht nur für zwei Stunden kommt, sondern für einen ganzen Tag. Dafür gibt es extra Wohnbereiche mit Küche und einer Art Wohnzimmer. Aus baulichen Gründen konnten wir das bislang leider nicht umsetzen, wegen der Arbeiten an den Wasserleitungen, aber es ist weiter in Planung. Denn für die Gefangenen ist es wichtig, dass sie den Kontakt mit ihrer Familie halten, diese Kontakte wollen wir fördern.
Was würden Sie sich für die Vollzugsanstalt in Heimsheim oder für Gefängnisse im Allgemeinen für die Zukunft wünschen?
Es braucht auf jeden Fall mehr Personal. Zum Beispiel zusätzliche Therapeuten für psychisch auffällige Gefangene. Und man braucht vor allem viel Zeit, um die Leute zu verändern. Wenn jemand regelmäßig Drogen nimmt oder Gewalt anwendet, verschwindet so ein Verhalten nicht einfach. Jemand kann lernen: Ich kann auch Erfolg haben ohne Gewalt und ohne Drogen. Aber das braucht Zeit und Geduld.
Wenn Sie heute zurückschauen: Was wird Ihnen aus Ihrer Zeit in Heimsheim besonders fehlen?
Eigentlich nichts. Ich genieße es, nicht mehr die Verantwortung zu tragen für die Mitarbeiter und Gefangenen. Man muss sich viele Fragen nicht mehr stellen, wie man mit diesem oder jenem Thema am besten umgehen sollte.
Damit erübrigt sich die Frage, worauf Sie in Ihrem Beruf auf jeden Fall hätten verzichten können . . .
Naja, so ist es auch wieder nicht. Die Verantwortung war keine Last. Aber man weiß jetzt: Wenn irgendetwas ist, dann muss ich nicht mehr den Kopf hinhalten, das empfinde ich als angenehm. Die Arbeit hat mir aber immer viel Freude bereitet.
Manche Menschen fallen im Ruhestand ja in ein Loch und wissen nichts mit sich anzufangen. Sie kennen dieses Problem nicht?
Überhaupt nicht. Ich mache jetzt viel mehr in Ruhe, was ich früher nicht konnte, lesen, Musik hören, Konzerte und Kunstveranstaltungen besuchen, Zeit mit der Familie und den Kindern verbringen. Und ich reise viel. Im Sommer geht es nach Südfrankreich in die Provence. Da begebe ich mich auf die Spuren des Architekten Le Corbusier und impressionistischer Künstler.

Zur Person

Hubert Fluhr lebt im Kreis Ludwigsburg und ist Vater dreier Kinder. Der studierte Verwaltungswirt und Jurist arbeitete eine Zeit lang im Vollzug in Bruchsal sowie bei der Staatsanwaltschaft in Ellwangen. Vom 1. Januar 1991 an war er Leiter des Gefängnisses in Heimsheim. Die offizielle Bezeichnung: leitender Regierungsdirektor.