Die Knochen werden nicht nach hinten geworfen. „Das war im Mittelalter auch nicht üblich, weder an der höfischen noch an der bäuerlichen Tafel“, räumt Mundschenk Manfred Walter mit einem verbreiteten Vorurteil auf. Er ist Vorsitzender der Heimsheimer Schlegler, die zu dem historischen Rittermahl eingeladen hatten.

Heimsheim - In der Schlossschenke zu Heimsheim empfängt Mundschenk Walther von Baden einige verspätete Gäste. „Ihr habt wohl eure Kutsche verpasst“, ruft er ihnen quer durch den Saal zu. Schnell finden sie Platz an der langen Tafel und bekommen ein Lätzchen umgebunden – Servietten gab es wohl keine im Mittelalter.

 

Immerhin liegen Gabel und Messer auf den Tischen. Keiner muss also fürchten, mit den Händen essen oder gar die Essenreste hinter sich werfen zu müssen. „Das war im Mittelalter auch nicht üblich, weder an der höfischen noch an der bäuerlichen Tafel“, räumt Mundschenk Manfred Walter mit einem verbreiteten Vorurteil auf. Er ist Vorsitzender der Heimsheimer Schlegler, die zu dem historischen Rittermahl eingeladen hatten.

Und er gibt gleich weitere Regularien für den Abend bekannt. Dass im städtischen historischen Saal des Schleglerschlosses beispielsweise Rauchverbot herrsche. „Alle, die das Bedürfnis nach einem Nasenofen verspüren, mögen die 73 Stufen in den Schlosshof hinabsteigen“, verkündete er mit Nachdruck.

Der Heimsheimer Verein „Die Schlegler“ wurde 1996 gegründet. Sein Ziel ist es, mittelalterliche Traditionen zu bewahren. Er hat 130 Mitglieder aus Heimsheim und Friolzheim, von denen 40 aktiv sind. Sie sind auf Mittelaltermärkten vertreten und veranstalten einmal jährlich den historischen Schlegler-Markt.

Nur die Speisen, die es im Mittelalter schon gab

Besonders beliebt ist ihr Rittermahl. Maximal 70 Gäste finden Platz. Mehr gibt die Küche nicht her. Das Essen muss vom Erdgeschoss in den dritten Stock gebracht werden. Auch wenn ein Aufzug zur Verfügung steht, ist es eine logistische Meisterleistung, die dahinter steht. Alle Speisen des Sechs-Gänge-Menüs werden vom Küchenteam der Schlegler frisch zubereitet. Je nach Saison werden nur solche Speisen zusammengestellt, die es auch im Mittelalter schon gab. Kartoffeln stehen deshalb nicht auf der Speisekarte. Stattdessen gibt es zum Fleischgang Knödel und selbst gemachte Spätzle. Ob letztere allerdings wirklich dem Mittelalter entstammen, ist nicht überliefert.

Diesmal außerdem auf der Speisekarte: Frisches Landbrot mit Schmalz, Sülze, Hochzeitssuppe, knuspriger Schinkenbraten, Nachtisch und Käseplatte. Sicherheitshalber wird jeder Gang von Vorkoster Simon vom Klaffstein probiert, der sagt, ob die Speise denn genießbar sei.

Zwischen den Gängen erwartet die Gäste eine Reise durch mittelalterliche Spiele und Belustigungen – oder was man sich heute darunter vorstellt. Die Vereinsmitglieder üben sich das ganze Jahr hindurch im Bogenschießen, Schwert- und Stockkampf und in höfischen Tänzen und Gesängen. Im Mittelalter, als das Lesen und Schreiben nur ein Privileg der Obrigkeit und des Klerus war, wurden im Volk Geschichten und Traditionen in Form von Liedern weitergegeben, und nicht selten warben Männer mit Gesängen um die Gunst der Angebeteten. Und so haben sich auch die Schlegler dem Singen und Musizieren auf historischen Instrumenten verschrieben und beim Rittermahl unterhaltsam in Szene gesetzt.

Wer Ritter werden möchte, muss sich bewähren

Im Verein gibt es Bauern, Handwerker und Adelige. Und wer gar Ritter werden möchte, muss sich bewähren. Die Kinder starten zunächst als Pagen. Sie dürfen schon mit dem Holzschwert üben. Mit 16 Jahren können sie Knappe werden und mit dem Schwertkampf beginnen. Erst in diesem Alter darf mit scharfen Waffen hantiert werden. Wer dann 20 ist, kann sich zum Ritter schlagen lassen. Geübt wird jede Woche in der Heimsheimer Reithalle.

Der Nachwuchs steht schon in den Startlöchern. Zum Beispiel Florian, der fünfjährige Sohn von Vereinsmitglied Steffanus von Urbach. Er packt bereits jetzt mit an und schlägt mit seinem Knappenhemd und seinen topmodisch blinkenden Sneakern die Brücke zur heutigen Zeit. Vater Steffanus lebt vor, was ein wahren Ritter auszeichnet: Mitsamt seiner Rüstung und Kettenhemd bringt er 170 Kilo Kampfgewicht auf die Waage.

Während des Abends wetteifert er mit drei Recken um die Gunst des Burgfräuleins. Es kommt zum großen Schwertkampf der beiden stärksten Bewerber im Schlosshof. Gegner von Steffanus ist Felix von Baum mit einem deutlich geringeren Kampfgewicht von nur 100 Kilo. Doch die Schlacht geht unent-schieden aus. Am Ende gewinnt Steffanus die holde Maid, als plötzlich die Ehefrau von Felix aus der Menge auftaucht und ihn als Bigamisten outet. Der Schaukampf wird gekrönt von Feuerspielen im Schlosshof, die das nächtliche Schloss in eine besondere Stimmung tauchen.