Die Bauern der Stadt tun bereits viel für Umwelt und Artenvielfalt, sagt Philipp Rüth

Heimsheim - Die Heimsheimer Landwirtschaft leistet sehr viel in Bezug auf Biodiversität, Artenvielfalt, Erhalt von Streuobstwiesen und Pflege von Wiesen“, sagt Philipp Rüth, nebenerwerblicher Landwirt in Heimsheim. Diese Äußerung kommt nicht aus dem Nichts. Sie ist die Reaktion auf eine lange Vorgeschichte im Ort, die ihren Anfang bei einem Antrag der Bürger für Heimsheim im Gemeinderat für eine pestizidfreie Stadt nahm und mittlerweile in schweren Vorwürfen in sozialen Medien gemündet ist. In ihrem Wahlprogramm gingen die BfH bereits hart mit der Heimsheimer Landwirtschaft ins Gericht. Vom übermäßigen Einsatz von Pestiziden ist da die Rede, von sich übergebenden Hunden, die Gras vom Wegesrand gefressen haben, mangelnden Kontrollen und mehr.

 

Philipp Rüth weist die Vorwürfe im Namen der Heimsheimer Landwirte – zwölf Stück sind es insgesamt – in Gänze zurück und bedauert die Richtung, die diese Geschichte genommen hat. Zum Hintergrund: Im Sommer 2018 entschied der Gemeinderat einmütig, dass auf kommunalen Flächen keine Pestizide mehr zum Einsatz kommen sollen, also auch auf Ackerflächen, die die Stadt an Landwirte verpachtet. Um diesen letzten Punkt nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu entscheiden, sollte es vor der Umsetzung noch einen Runden Tisch mit den Landwirten geben.

Runder Tisch gewünscht

„Dazu haben wir bis heute leider keine Einladung erhalten“, sagt Rüth. „Wir hätten uns gerne schon viel früher zusammengesetzt und die Thematik besprochen. Vor allem hätten wir gerne unsere Sicht der Dinge dargelegt und gezeigt, was die Landwirtschaft hier schon alles tut.“ Aus diesem Grund stehe man einem solchen Treffen weiter sehr positiv gegenüber.

Der Grund für die ausbleibende Einladung liegt dem Bürgermeister Jürgen Troll zufolge darin, dass zum einen zuerst festgestellt werden musste, an wen die Stadt überhaupt welche Flächen verpachtet – die Landwirtschaft in Heimsheim ist noch extrem kleinteilig angelegt. Zum anderen gebe es auch Flächen, die zwar genutzt werden, aber im Grunde nie verpachtet wurden. Das mache die Situation komplizierter. „Es sind viele einzelne Gespräche zu führen, um überhaupt einen Überblick zu erhalten. Jeder Fall ist anders zu bewerten.“ Also schwelt die Thematik weiter vor sich hin. Das Pikante daran: Bei dem Beschluss geht es um nicht ganz ein Prozent der gesamten Anbaufläche in Heimsheim.

Die Vorwürfe der BfH richten sich gegen die gesamte Landwirtschaft. Für Rüth, der selbst Flächen von der Stadt gepachtet hat, unverständlich. Bereits jetzt würden rund 65 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen in Heimsheim pestizidfrei bewirtschaftet. Als Basis für diese Zahlen hat er öffentlich zugängliche Daten über Subventionen herangezogen. Die gibt es zum Beispiel für Bio-Betriebe und den Erhalt von Dauergrünland, bei dem ebenfalls keine Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. „Weiter haben wir Landwirte über die letzten fünf Jahre rund fünf Hektar Blühäcker angelegt. Wir leisten also schon einiges, um Insekten und Bienen einen Anflugsort zu bieten.“

„Natur ist hier noch in Ordnung“

Dieses Bild von den Feldern rings um Heimsheim bestätigt ein Gärtner von „Herkommer & Ullmann“, der im Auftrag der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg gerade unter anderem in Heimsheim unterwegs ist, um gesetzlich geschützte Biotope, FFH-Lebensraumtypen sowie die FFH-Mähwiesen zu erfassen. FFH steht für Flora-Fauna-Habitat, gemeint sind vielfältige Wiesen mit hohem ökologischen Stellenwert. Anlass für die Biotop-Kartierung in Baden-Württemberg sind neue überregionale Gesetze. Das vorläufige Urteil des Mitarbeiters: „Es gibt zahlreiche gut gepflegte, arten- und strukturreiche Wiesen.“ In Kombination mit den zahlreichen Hecken und Magerrasen sei das sehr wichtig für die Insekten- und Vogelwelt. „Die Natur ist hier noch in Ordnung.“

Dass in Heimsheim keine Pestizide zum Einsatz kämen, behauptet Philipp Rüth nicht. In der konventionellen Landwirtschaft ist es üblich, dass die Pflanzen vor Schädlingen geschützt werden. Allein der Anbau von Raps, der hier seit 40 Jahren als Alternative zum Soja aus dem Regenwald angebaut werde, sei ohne Schutzmittel leider gar nicht denkbar, ergänzt Rainer Seemann, ebenfalls Landwirt und Kandidat für die Unabhängige Wählervereinigung. Jedoch: „Unsere regionale Landwirtschaft arbeitet nach EU-Richtlinien“ und darüber hinaus nach den noch schärferen Richtlinien auf Landesebene, betont Rüth. Die Landwirtschaft vor Ort sei „nachhaltiger und die erzeugten Lebensmittel überwachter denn je“. Und obwohl hier Betriebe „ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft bestreiten und auch Pestizide eingesetzt werden, sind Hase, Fuchs, Dachs, Bussard, Milan und so weiter zahlreich vorhanden“, so Seemann.

Laut Rüth müsse man sich im Klaren darüber sein, dass sich mit ausschließlich ökologisch arbeitenden Betrieben die Weltbevölkerung nicht ernähren lasse. Was den Wunsch der Bevölkerung vor Ort nach hochwertigen Lebensmitteln angeht, regt er die Verbraucher auch zu mehr Eigenverantwortung an: „Unsere Gesellschaft sollte sich fragen, wie es Discountern möglich ist, das Kilo Kartoffeln um 19 Cent anzubieten.“