Herr Baisch, Ihr Auftritt in Korntal ist ein Heimspiel. Wie fühlt sich das an?
Schön – und die Anreise dauert auch nicht lange (lacht). Wobei solche Auftritte schwieriger sind. Beim Jazz beleidigt man zwar niemanden, wie gern mal bei Comedy, aber ich werde viele Leute im Publikum kennen oder sie später auf der Straße treffen. Es ist leichter, vor einer anonymen Masse zu spielen. Auch wenn man auf der Bühne oft nicht viel vom Publikum sieht, entwickelt man als Künstler doch ein emotionales Gespür. Bei Kultur geht es auch um Energieübertragung.
Weshalb es für Künstler so wichtig ist, live vor Publikum aufzutreten anstatt fürs Internet?
Ja. Wenn man ins Leere spielt und vor allem spricht, fehlt das Gefühl für die Stimmung. Man kriegt keine Reaktionen, keine direkten Rückmeldungen, man weiß nicht, ob die Leute den Witz nun lustig finden und lachen oder nicht. Ein Musiker oder eine Band hat es leichter, ohne Publikum zu spielen. Generell leiten und führen Künstler ihr Publikum aber und brauchen dafür die Rückmeldung.
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Wie ergeht es Ihnen in der Pandemie?
Am Anfang wurden mir alle Auftritte abgesagt, was relativ viele waren. Da fällt man natürlich erst mal in ein Loch. Allerdings habe ich als etablierter Künstler keine Not gehabt. Vor allem im Sommer 2020 hatte ich sehr viele Veranstaltungen, gerade Open-Air. Im Winter war es dann ruhiger. Für das Internet habe ich nur zwei Dinge gemacht, darunter das Couch-Konzert in der Korntaler Stadthalle mit dem Count Baischy Orchester. Ansonsten habe ich abgewartet. Im Moment rechne ich angesichts der hohen Infektionszahlen wieder jeden Tag damit, dass mir erneut Auftritte abgesagt werden – und mit einem Lockdown.
Besuchen die Leute in diesen Zeiten überhaupt noch gern Veranstaltungen?
Meine Auftritte sind bisher zum Glück gut besucht, die Zahlen sind kaum anders als vor Corona. Insgesamt ist das Publikum aber sehr zurückhaltend, alle warten ab. Manche Leute haben immer noch Angst vor einer Ansteckung und bleiben lieber daheim. Das kulturelle Leben pulsiert also noch lange nicht wie vor der Pandemie. Wer jedoch ins Theater oder zu einem Konzert kommt, ist euphorisch. Ich hatte aber schon vor Corona das Gefühl, dass nicht alles selbstverständlich ist – auch die Kultur nicht.
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Wie meinen Sie das?
Viele Menschen gehen heute nur noch zu Events und unterstützen die großen Ereignisse. Die Kultur fällt am schnellsten durchs Raster, besonders die Kleinkunst ist schnell verzichtbar. Anders als zum Beispiel Fußball. Kultur wird hier nicht so wertgeschätzt wie in anderen Ländern. Die Pandemie hat mich darin bestärkt. Manche Menschen haben die Kultur vermisst, andere nicht.
Haben Sie in den coronabedingten Zwangspausen etwas verlernt?
Ich habe zuhause immer geübt und gelernt, sogar Französisch (lacht wieder). Dennoch ging meine Stimmmuskulatur zurück. Auch das Adrenalin bei Auftritten, das jung und fit hält, fehlte mir. In meinem Fall ist es aber wie mit dem Radfahren: Alles kommt schnell zurück. Ich bin sogar besser und souveräner geworden, denn ich weiß, warum ich das alles mache. Ich habe das Gefühl, dass man mir gegenüber eine Art Respekthaltung hat, weil ich älter bin als andere Künstler.
Glauben Sie, dass dieser Respekt dafür sorgt, dass Ihnen Publikum treu bleibt?
Nein. Außerdem geht es Künstlern auch darum, ein neues Publikum zu gewinnen.
Was erwartet die Besucher beim Auftritt des Count Baischy Orchesters?
Ein schönes Swingprogramm mit Klassikern von Frank Sinatra, Dean Martin oder Nat King Cole, aber übersetzt ins Deutsche. Es wird ein gutlauniger Abend mit klassischem Entertainment und einer sehr guten Band.
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Ich habe zwei Stipendien bekommen, eines für die Jazzband und ein zweites für meine neue Show „Die fantastische Reise des Herrn B.“, die an Silvester im Theaterhaus Stuttgart Premiere feiert. Es ist eine Münchhausen-Biografie, die meine Lebensgeschichte erzählt. Man weiß jedoch nicht, was wahr ist und was nicht. Das Programm mit ernsterem Hintergrund ist ein Mix aus allem, was ich bisher gemacht habe.
Sie sind ein vielseitiger Künstler. Sie sind Autor, Schauspieler, Komponist, Moderator, Komiker, Musiker. Wollten Sie sich nie entscheiden?
Zu Beginn meiner Karriere war ich unentschlossen, ob ich Musiker oder Schauspieler werden soll. Ich hatte dann die Möglichkeit, beides zu sein. Am allerliebsten mache ich eigentlich Musik – aber wenn ich nur Musik machen würde, würde mir das Wort fehlen. Ich bin ein Entertainer, der singt, schauspielert, Geschichten erzählt. Am Ende erzählt man immer eine Geschichte.
Mit wem würden Sie gern mal auf der Bühne stehen?
In der Hinsicht sind meine Wünsche erfüllt. Ich habe für so viele Menschen Regie geführt und bin mit so vielen Menschen auf der Bühne gestanden. Menschen, mit denen ich das wollte und solche, mit denen ich mir das nicht vorstellen konnte. Es läuft auf einen zu, mit wem man zusammenarbeitet.
Ja zu Veranstaltungen
Der Künstler
Roland Baisch, im Jahr 1954 in Stuttgart geboren, in Korntal aufgewachsen, gelernter Industriekaufmann, beginnt anno 1976 eine Ausbildung zum Schauspieler in Amsterdam und Hamburg. Danach gründet er das Stuttgarter Scherbentheater, entwickelt eigene Stücke, gründet Ensembles, erhält den Kleinkunstpreis Baden-Württemberg. Im Jahr 2018 feiert er 40 Bühnenjahre.
Der Auftritt
Das Konzert „Ein bisschen Swing muss sein“, am 24. November in der Stadthalle Korntal, beginnt um 20 Uhr. Die Korntal-Münchinger Kulturreferentin betont angesichts steigender Infektionszahlen, dass die Halle mit 700 Plätzen riesig sei, gut belüftet, und die Einhaltung der Coronaregeln streng kontrolliert werde. „Wir warten jetzt ab“, sagt Melanie Thamm-Beck – die Coronaverordnung dabei immer im Blick. Sie sieht derzeit keinen Grund, vorsichtshalber Veranstaltungen abzusagen. Das passiere allenfalls in Abstimmung mit anderen Kultureinrichtungen. Der Auftritt des Count Baischy Orchesters wird mit Mitteln aus dem Programm „Neustart Kultur“ finanziert.