Bernhard Schneider von der Evangelischen Heimstiftung will umgekehrte Verhältnisse in der Pflegeversicherung: Versicherte sollen nur einen fixen Teil der Heimkosten zahlen. Die Kassen würden dann den höheren Rest übernehmen.

Stuttgart - Für Bernhard Schneider ist es „eigentlich ein sozialpolitischer Skandal“: „Wir haben eine Pflegeversicherung, und trotzdem muss ein Pflegebedürftiger sehr viel selbst bezahlen.“ Mehr noch: „Je pflegebedürftiger man wird, umso mehr muss man bezahlen.“ Er verstehe nicht, warum die Solidargemeinschaft da nicht eingebunden wird, sagt Schneider. Er ist Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung.

 

Diese gehört zum Kreis des Diakonischen Werkes und ist auf dem Pflegemarkt ein ganz großer Träger. Sie betreibt 83 Pflegeheime in Baden-Württemberg, dazu eine Reha-Klinik und ein Behindertenzentrum sowie 47 betreute Wohnanlagen. Insgesamt vertrauen sich 10 700 Menschen der Heimstiftung an. 7500 Mitarbeiter verdienen dort ihren Lebensunterhalt. Deutschlandweit ist sie die Nummer acht unter den Trägern.

Endstation Sozialhilfe

In dieser Situation hat die Heimstiftung ein Positionspapier „Pflege 2025“ formuliert, und Schneider wirbt für seine Vorschläge. Sein Ausgangspunkt: „Ein Drittel der Pflegebedürftigen sind auf Sozialhilfe angewiesen.“ Das könne ja wohl nicht sein. Tatsächlich habe daran aber auch die jüngste Pflegereform kaum etwas geändert. Zwar gebe es an einigen Stellen Verbesserungen, kommentiert Schneider. Etwa die Berücksichtigung von Demenz bei Leistungen der Pflegekassen. Auch findet er in Ordnung, dass der Pflegebedarf von Menschen nicht mehr minutiös danach bemessen wird, was sie nicht mehr können, sondern daran, wie selbstständig sie noch sind.

Bei allen Neuerungen bleibe ein Grundproblem: „Bewohner müssen immer noch rund 2200 Euro aus der eigenen Tasche bezahlen.“ Pro Monat. Mit einer Rente von 1200 Euro sei das aber nicht zu leisten. Dabei sei die Unterbringung nicht wirklich teuer: Kosten von 120 Euro pro Tag fielen in jedem besseren Hotel an – nur lebe man da eben nicht 30 Tage im Monat.

Umkehrung der Verhältnisse

Schneider plädiert jetzt für eine Umkehrung der Verhältnisse und die Einführung einer echten Teilkaskoversicherung. Bisher zahlt die Pflegeversicherung je nach Höhe der Pflegebedürftigkeit eine feste Summe. Die Differenz zu den tatsächlichen Kosten trägt der zu Pflegende selbst – oder der zuständige Sozialhilfeträger.

Nach dem Konzept der Heimstiftung solle aber die Pflegekasse gegenüber dem Pflegeheim oder dem Pflegedienst alle notwendigen pflegebedingten Kosten übernehmen und dem Versicherten nur einen gewissen Eigenanteil berechnen, zum Beispiel zehn Euro pro Tag. Ein Versicherter würde dann 300 Euro im Monat als gesetzlichen Eigenanteil an den Pflegekosten tragen plus die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Das wäre in der Summe immer noch ein stolzer Betrag, aber gut und gerne 500 Euro im Monat niedriger als gegenwärtig.

Kassen müssen zahlen

Die Differenz bliebe an den Pflegekassen hängen. Schneider hält das für diese für finanzierbar. Sie müssten nur zum Beispiel darauf achten, dass sie nicht – wie derzeit – Kosten für Behandlungspflege tragen, die eigentlich die Krankenkassen zu bezahlen hätten. Vielleicht wäre auch „eine moderate Erhöhung“ des Beitrags zur Pflegeversicherung angezeigt. Aber das müsste der Gesellschaft dieser sozialpolitische Fortschritt wert sein, sagt Schneider.

Entlastet würden so auch die Kommunen. Sie könnten dann wieder eine „aktive Förderpolitik“ bei der Schaffung von Pflegeheimplätzen betreiben. Das marktwirtschaftliche Prinzip finde bei der Teilkaskoversicherung nur noch in den Bereichen Unterkunft und Verpflegung und bei den Investitionskosten statt, nicht mehr in der Pflege. In diese Bereiche gehöre es aber auch, denn ob man höhere oder niedrigere Kosten zu tragen hat, könne man dann mit seinem Lebensstil beeinflussen.