Heinz Strunk hat im prallvollen Wizemann seinen jüngsten Erzählband „Nach Notat zu Bett“ vorgestellt.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Gerade ein Jahr ist es her, dass Heinz Strunk zuletzt in Stuttgart gastierte – es war eine proppenvolle Lesung. Doch der Saal im Wizemann war am Mittwochabend nun schon wieder mit rund fünfhundert Besuchern gefüllt. Der für einen Vorleseabend extraordinäre Publikumszuspruch resultiert allerdings nicht aus dem Umstand, dass der Künstler gerade besonders hip wäre; ganz im Gegenteil scheint Strunk den Hipstern nicht innig verbunden, wie bereits sein erster Beitrag deutlich erkennen lässt, der Titelsong aus seinem aktuellen Album „Aufstand der dünnen Hipsterärmchen“.

 

Arme Hipster

Dass ihm die Menschen auf seinen Lesereisen die Bude einrennen, liegt viel eher am fleißigen Output, den Heinz Strunk vorzuweisen hat. Im vergangenen Jahr las er aus seinem seinerzeit aktuellen Erzählband „Das Teemännchen“, diesmal hat er ein neues Album und ein neues Buch vorzuweisen, seine versammelten Tagebucheinträge „Nach Notat zu Bett“.

Folgerichtig hat der Hamburger sein Tenorsaxofon dabei, das er dazu nutzt, den Vortrag mit ein paar Songs zwischendurch zu würzen. Die Lesung selbst ist ein Parforceritt aus den komprimierten und für die Lesung ein wenig abgewandelten Originaleinträgen aus dem Buch, in dem er in der ihm eigenen Art ein komplettes Jahr aus seinem Leben als Schriftsteller Revue passieren lässt. Diese ihm eigene Art wiederum ist jene bewährte Mischung aus mehr oder weniger autobiografischen Zügen, wie man sie schon von einigen seiner anderen Romane kennt. Sie tritt in einem Tagebuch naturgemäß besonders hervor, Heinz Strunk paart dies in „Nach Notat zu Bett“ aber mit haufenweise Alltagsskurrilitäten, Gedankensprüngen, eindeutiger Fabuliererei sowie seiner immensen Vorliebe für Situationskomik.

Und das ist schließlich der eigentliche Grund, warum zu einer Lesung rund fünfhundert Leute kommen: Heinz Strunk ist ein sensationell – hier im besten denkbaren Wortsinne gebraucht – komischer Vogel. Schon die joviale, überaus charmante Art seines hastig-hamburgischen Vortrags macht Spaß, die einnehmende Verve ebenso wie die reflektierenden Momente – die Inhalte natürlich sowieso. Das tägliche Notat seiner verzweifelten Versuche, sich zur Arbeit am Schreibtisch zu disziplinieren; die absonderlichen Erlebnisse und Fundstücke bei seinen regelmäßigen kurzen Ausflügen in Stammcafé und Stammrestaurant; seine Reise mit dem Ziel, alle deutschen Autobahnkirchen zu besuchen; die ganzen urplötzlichen Geistesblitze oder seine völlig (sinn)frei ausgedachte Geschichte über verschiedene Käsesorten auf Wanderschaft: Das alles ist so saukomisch, dass im Saal reichlich gekichert und gelacht werden darf.

Jenseits der Witzfabrikanten

Der ohne großes Aufhebens vorhandene ernsthafte Anspruch, die aus dem Grunde seines Herzens kommende humanistische Gesinnung und das Fundament aus viel literarischem Wissen tun bei Heinz Strunk ihr Übriges. Und schon kommt ein Abend heraus, der im besten Sinne vorführt, dass deutsche Scherzkekskunst nichts mit Mario Barth oder Dieter Nuhr zu tun haben muss (in einem seiner subtilen Seitenhaken erwähnt Strunk die beiden, ohne Boshaftigkeit und doch so, dass jeder versteht, was gemeint ist), aber bei allem Ernst zum Totlachen sein kann. Ein wieder mal köstlicher Abend.