Zusätzliche Kosten für Pommesschalen und Kaffeebecher: Das wird in Leonberg sehr kritisch gesehen, zumal die Stadt für die Einführung einer neuen Steuer auch eine zusätzliche Stelle will.

Wer bei einem Restaurantbesuch zu schnell satt ist, lässt sich einen Teil des Essens oft einpacken. Zumeist nicht nur, um die komplett bezahlten Speisen später auch komplett zu essen. Zudem haben viele Menschen ein Problem damit, Lebensmittel wegzuwerfen. Denn was in der Gaststätte übrig gelassen wird, landet im Müll.

 

Diese gängige Praxis wird in Leonberg bis auf Weiteres ohne Zusatzkosten für die Gäste beibehalten werden können. Denn eine Verpackungssteuer, wie sie etwa in Tübingen auferlegt wird, ist erst einmal vom Tisch. Der Gemeinderat hat sich jetzt mit großer Mehrheit gegen die zeitnahe Einführung einer Verpackungssteuer ausgesprochen. Zunächst einmal solle abgewartet werden, wie sich die Steuer langfristig in Tübingen und Konstanz auswirkt. Unter dem Licht dieser Erkenntnisse soll in zwei Jahren erneut beraten werden.

In Tübingen gilt die Steuer für Essen, das sofort gegessen wird, also in der Gastronomie, an Imbissständen oder auch in Bäckereien, Metzgereien, Tankstellen und Supermärkten. Für Kaffeebecher oder Pommes-Schalen sind 50 Cent Steuer fällig, für Einweg-Gabeln oder Strohhalme 20 Cent. Dass die Einführung dieser komplexen Abgabe nicht ohne bürokratischen Aufwand geht, liegt auf der Hand. Deshalb hätte die Stadt Leonberg das Kämmereiamt gerne um eine halbe unbefristete Stelle erweitert.

Die Kritiker

Nicht nur dieses Vorhaben stößt im Gemeinderat auf Kritik. „Wenn schon allein für die Einführung der Steuer zusätzlicher personeller und administrativer Aufwand entsteht, sind auch Preiserhöhungen und weitere Belastungen für die Bürger zu erwarten“, befürchtet SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier. „Nur wenn wir sicher wären, dass sich die Verpackungssteuer nicht zum Bürokratiemonster auswächst, könnten wir uns damit anfreunden.“ Vorher müsse sich die Stadt Leonberg „in viel höherem Maße um die Stadtsauberkeit insgesamt kümmern.“ Wer dafür im Rathaus verantwortlich ist, sei völlig unklar.

Ähnlich sieht es Frank Albrecht. „Mit dem Thema Sauberkeit muss schon in den Schulen und Kindergärten angefangen werden“, fordert der Fraktionssprecher von SALZ. Auf Aufklärung statt Verbote setzt Stephan Schwarz von den Freien Wählern. Andreas Wierse von der CDU sorgt sich, dass mit einer neuen Steuer „vor allem die bestraft werden, die den Laden am laufen halten: privat geführte Bäckereien, Metzgereien, Speiselokale und viele andere kleine Betriebe.“

Der FDP-Fraktionschef Horst Nebenführ wundert sich, dass bei allen „Bemühungen, Bürokratie abzubauen, jetzt wieder Stellen aufgebaut werden sollen.“ Eine erhoffte Lenkungswirkung der Steuer, die zur Müllvermeidung animiere , könne man „besser vergessen“, so Nebenführ.

Thomas Hartung (AfD) sagt klipp und klar: „Wir wollen diese Steuer nicht. Heute nicht und in 20 Jahren auch nicht.“

Die Befürworter

Die Minderheitenmeinung vertreten der sozialdemokratische Oberbürgermeister und die Grünen. „Die Verpackungssteuer trägt zu Stadtsauberkeit bei“, meint Martin Georg Cohn. „Und sie beschert unserem Haushalt Mehreinnahmen.“ Dass mehr Aufklärung fruchtet, zweifelt Bernd Murschel an: „Appelle machen wir seit Jahren und Jahrzehnten. Geholfen hat es nicht.“ Der Grünen-Fraktionschef sieht in der Verpackungssteuer „ein klares politisches Signal.“ Für seine Stellvertreterin Birgit Widmaier ist der Verwaltungsaufwand kein Bürokratiemonster. „Vielmehr erhöhen wir die Mehrwertquote“, sagt Widmaier.

Das machen andere

Ditzingen
Bei den Leonberger Nachbarn steht das Thema schon seit mehr als vier Jahren im Raum. Allerdings ist auch hier die Frage des bürokratischen Aufwandes und der damit verbundenen Kosten nicht beantwortet. Der Gemeinderat will noch in diesem Jahr eine Entscheidung treffen.

Ludwigsburg
Ähnlich die Situation in Ludwigsburg. Dort hatten bei einer Anhörung vor Ostern Vertreter aus dem Mittelstand eine Verpackungssteuer deutlich abgelehnt. Im Gegensatz zu seinem Leonberger Kollegen Martin Georg Cohn (SPD) hält sich Oberbürgermeister Matthias Knecht bei dem Thema zurück, wohl wissend, dass eine weitere Steuer in schwierigen Zeiten schwer vermittelbar ist.

Verbände
Hier sind die Meinungen kaum überraschend: Die Industrie- und Handelskammer lehnt die Steuer ab und beruft sich auf eine Umfrage unter ihren Mitgliedsbetrieben. Viele Geschäfte müssten mit deutlichen Umsatzverlusten rechnen. Ein Mehrwegsystem sei bei den Kunden nicht durchsetzbar. Der Gaststättenverband Dehoga ist zwar auch gegen die Steuer, kann sich Mehrweg aber als Alternative vorstellen. Die Umweltverbände wie Nabu und BUND sind für die neue Steuer.