Im Synergiepark, dem bedeutendsten Gewerbegebiet der Stadt, soll ein besonders großes Nahwärmenetz entstehen. Wenn alles klappt, trägt es einen wesentlichen Teil zum Klimaziel der Stadt bei. Der Bau könnte bereits dieses Jahr beginnen.
Im Synergiepark Stuttgart-Vaihingen mit seinen 600 Unternehmen soll das mit Abstand größte Nahwärmenetz in Stuttgart entstehen. Es könnte dort einmal so viel Wärme erzeugen und verteilen, wie 12 000 Wohnungen verbrauchen. „Das ist mehr als das Doppelte aller anderen Netze, die die Stadtwerke Stuttgart planen“, sagt Ulf Hummel, der das Projekt für die Stadtwerke koordiniert.
Ein erstes kleines Stück dieses Netzes könnte sogar noch in diesem Jahr warmlaufen. In der Breitwiesenstraße zieht gerade ein Rechenzentrum in eine Halle neben der IT-Schule und der Dekra ein. Es handelt sich um ein Unternehmen, das auf dezentrale Standorte setzt. Mit der Abwärme sollen die IT-Schule und einige Gebäude der Dekra beheizt werden. Dazu braucht es lediglich wenige hundert Meter an Leitungen und eine Übergabestation, die in einem Container auf einem Parkplatz untergebracht sein wird.
Das Wärmenetz soll einmal 70 Prozent des Bedarfs liefern
Langfristig planen die Stadtwerke sogar ganz groß: Ulf Hummel glaubt, dass das Nahwärmenetz langfristig bis zu 70 Prozent der Wärme liefern könnte, die die Unternehmen im Synergiepark benötigen; das wären 90 Gigawattstunden pro Jahr. In ursprünglichen Plänen war sogar von Wärme für 16 800 Wohneinheiten die Rede; das wäre aber nur bei einer Anschlussquote von 100 Prozent zu erreichen. In dem Gebiet arbeiten mehr als 25 000 Menschen, und die Zahl wächst rasant. Dieses Netz im Synergiepark wäre ein ökologischer Durchbruch, wird das Gewerbegebiet derzeit doch vor allem noch mit Gas beheizt.
Angesichts der riesigen Ambitionen haben sich die Stadtwerke mit der E-con AG zusammengetan, die auf erneuerbare Energien spezialisiert ist. Die neue gemeinsame Firma besteht zwar nur aus zwei Mitarbeitern, Hummel und E-con-Mitarbeiter Dennis Bauer, aber sie können Ingenieure und Planer aus den Stadtwerken und der E-con hinzuziehen. Derzeit würden rund zehn Personen an dem Projekt arbeiten.
Drei Energiezentralen und zehn Kilometer Leitungen
Dennis Bauer erläutert die grobe Planung: Es sollen neben dem Rechenzentrum als Wärmelieferant drei große Energiezentralen gebaut werden, die die Wärme – und im Sommer übrigens auch die Kühlung – produzieren sollen. Eine könnte im Osten des Synergieparks beim SSB-Zentrum entstehen. Eine soll in der Nähe des Vaihinger Bahnhofs im Westen des Gewerbegebiets gebaut werden. Und die dritte könnte im Süden ihren Platz finden, bei den Sportanlagen Richtung Rohr.
Derzeit sind Hummel und Bauer auf der Suche nach konkreten, möglichst städtischen Flächen für diese Energiezentralen. Sie sollen nicht in Etappen gebaut werden, sondern die Planung für alle drei geht parallel vonstatten, damit alles bis spätestens Mitte der 2030er Jahre fertig sein kann. „Aber der Synergiepark ist ein hochverdichtetes Gebiet – es kostet sehr viel Zeit, Flächen zu finden“, sagt Dennis Bauer.
Dabei seien die städtischen Ämter offen und hilfsbereit. Kein Wunder: Stuttgart will bis 2035 klimaneutral sein. Um das zu schaffen, müssten laut dem kommunalen Wärmeplan künftig jährlich 420 Gigawattstunden Wärme aus neuen grünen Nahwärmenetzen kommen. Der Synergiepark könnte wie gesagt bis zu 90 Gigawattstunden beitragen – also fast ein Viertel.
Gedanklich am weitesten ist die Energiezentrale im Osten. Rund 2500 Quadratmeter werden benötigt. Aber die Fläche liegt direkt neben den Gebäuden und Gleisen der SSB, und womöglich gibt es bei dem städtischen Verkehrsunternehmen ebenfalls Bedarf an Erweiterungsflächen. Als Energiequelle böte sich die oberflächennahe Geothermie an. Wenn alles gut ginge, wäre ein Start der Bauarbeiten in zwei Jahren denkbar.
Die erste Energiezentrale soll schon in zwei Jahren gebaut werden
An den beiden anderen Standorten ist noch offen, welche umweltfreundliche Energieart zum Einsatz kommen könnte. Neben der Geothermie ist die Nutzung von Abwasserwärme oder eine Wärmepumpe denkbar.
Ob sich dann in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten wirklich so viele Unternehmen an die Nahwärme anschließen wie die Stadtwerke hoffen, ist offen. Manche großen Firmen haben ja erst jüngst gebaut. Etwa der Sparkassenverlag, der im neuen, noch gar nicht bezogenen Gebäude mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe heizt. Oder die Mercedes-Benz-Niederlassung mit allein 4000 Mitarbeitern, die vor fünf Jahren in ihren neuen Bürostandort eingezogen ist; dort sorge, wie Sprecher Benjamin Kraft mitteilt, ein hocheffizientes Blockheizkraftwerk, das mit Gas läuft, für die Wärme. Diese Firmen werden vorerst eher nicht auf Nahwärme umsteigen. Aber insgesamt sei die Nachfrage sehr groß, sagt Ulf Hummel. Konkrete Namen will er vorerst nicht nennen.
Insgesamt müssten für dieses Netz zehn Kilometer an Leitungen verlegt werden. Man wolle den Bau mit anderen Straßenbauarbeiten koordinieren, um Sperrungen möglichst kurz zu halten, so Hummel. Die unzähligen Menschen, die im Synergiepark arbeiten, würden es ihm danken: Schon heute ist dort das Verkehrschaos eher die Regel als die Ausnahme.