Der Bauingenieur Carsten Herbert hat im Netz viele Fans, weil er technisches Wissen mit viel Humor paart. Nun hat er in Stuttgart Tipps gegeben, wie man die Heizungskosten senken kann.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Mal ehrlich: Dieses ganze Heizungsgedöns mit Gerätewirrwarr und Förderdschungel ist doch furchtbar kompliziert und zudem sterbenslangweilig. Wer außer einigen Technik-Nerds fuchst sich da freiwillig rein? Wer trotzdem muss, weil er etwa eine neue Heizung braucht, der sollte sich mal die Videos von Carsten Herbert bei Youtube anschaue. Der südhessische Bauingenieur hat vor fünf Jahren angefangen, auf sehr amüsante und doch qualitätsvolle Weise Klimasplitheizungen, Dachdämmung und Sparduschen zu erklären. Zumindest für den Einstieg sind diese Videos sehr hilfreich. Jetzt war der selbsternannte Energiesparkommissar der Hauptredner bei der Infoveranstaltung „Heizen der Zukunft“, an der auf Einladung von Haus & Grund Stuttgart mehr als 1000 Immobilienbesitzer teilgenommen haben.

 

Herbert nimmt sich selbst nicht so ernst, sein Thema dafür umso mehr. Das zeigte sich in der Liederhalle schon an seinem Outfit. Während alle anderen Redner, übrigens alle Männer, im schicken Anzug auf dem Podium saßen, trug Carsten Herbert eine schlabbrige Jeans, schwarzes T-Shirt und Pferdeschwanz. Und mit Aussagen wie dieser nahm er das Publikum sofort für sich ein: „Ich wollte nie Bauingenieur werden – blöd, wenn man dann Bauingenieurwesen studiert.“

Rund 115 000 Menschen folgen ihm bei Youtube

Mehr als eine Stunde lang demonstrierte er, warum ihm auf Youtube mittlerweile 115 000 Menschen folgen. Er kann komplexe Sachverhalte auf einfache Nenner bringen, ohne Unsinn zu fabrizieren. So packt er den deutschen Gebäudebestand auf Grundlage der bundesweiten Wärmeschutzverordnungen in drei Kategorien. In alle Häuser, die nach 1990 gebaut wurden, könne ohne weiteren Aufwand eine Wärmepumpe eingebaut werden, sagt Herbert ganz simpel. Kritisch seien am ehesten Gebäude vor 1978. Da müssten eventuell die Fenster oder das Dach saniert werden. Bei Baujahren dazwischen müsse man Fenster und Holzdecken auf ihre Dichtigkeit prüfen. Denn oft gehe sehr viel erwärmte Luft durch Risse verloren.

Grundsätzlich ist Herbert davon überzeugt, dass die Wärmepumpe die künftige Königin im Heizungskeller sein wird. Die fossilen Brennstoffe müssten für die Klimaziele auslaufen, Fernwärme sei nicht überall verfügbar, das Potenzial von Holzpellets sei begrenzt, und Wasserstoff werde für das normale Heizen viel zu teuer sein. Für alle, für die diese Aussage keine Tatsache darstellt, sondern ein politisches Statement, sei gesagt: Tatsächlich hat Carsten Herbert für die Grünen schon Wahlkampf gemacht. Seine Videos und Vorträge aber sind allein an der Technik orientiert.

Diese Energieexpertise besitzt Herbert, weil er 20 Jahre lang ein eigenes Ingenieurbüro mit bis zu zehn Mitarbeitern geleitet hat, das sich ganz auf das Thema Energieeffizienz spezialisiert hatte. Wie bei vielen Menschen hat dann die Coronapandemie sein Leben in eine neue Richtung geschubst. Weil die Aufträge versiegten und er Zeit und Lust hatte, probierte er sein erstes Video aus. Bis heute macht er alles, mit Ausnahme des Schnittes, selber. Er schreibt den Text, sucht die Bilder heraus, dreht Einspieler, erstellt Grafiken und überlegt sich zur Aufheiterung neue Faxen. An seinem aufwendigsten Video habe er 120 Stunden gearbeitet, erzählt Herbert.

Weil das so lange dauere, seien bisher „erst“ 80 Videos zusammengekommen. Um wie er fast zehn Millionen Aufrufe bei Youtube zu bekommen, müsse man normalerweise zehn Mal so viele Videos online stellen. Darauf ist Herbert deshalb besonders stolz: „Ich habe den Google-Algorithmus überlistet – durch Qualität.“

Energiesparkommissar im Fulltime-Job

Verdient ist bei Youtube allerdings nichts. Oder natürlich doch. Denn seine Bekanntheit hat dazu geführt, dass er mittlerweile zwei Bücher auf den Markt gebracht hat und dass er als Redner gefragt ist. Das scheint so gut zu laufen, dass er zum Jahresbeginn sein Büro an die Mitarbeiter übergeben hat; seither ist er als Energiesparkommissar im Fulltime-Job unterwegs.

In dieser Funktion hat er auch beim Kongress von Haus & Grund gute Tipps gegeben, wie man die Energiekosten senken kann, auch wenn man noch eine Öl- oder Gasheizung im Keller stehen hat. Indem man die Heizungssteuerung optimal einstelle, könne man mindestens fünf bis zehn Prozent sparen, ohne dass man einen Cent ausgeben müsse, so Herbert. Auch ein Duschkopf mit Sparfunktion bringe wirklich etwas, weil man viel weniger warmes Wasser brauche.

Bereut hat Carsten Herbert bisher nicht, dass er nun als Youtuber seine Brötchen verdient. Er sagt: „Ich habe mein Büro mit Herzblut geführt. Aber die jetzige Tätigkeit ist noch erfüllender, weil ich so viele gute Rückmeldungen erhalte.“ Das war auch in der Liederhalle so. Noch lange war Herbert von Fragenden umringt. Und auch das eine oder andere Selfie musste sein.

Wann geht der Gashahn zu?

Klimaneutralität
Andreas Neft, der Leiter des Stuttgarter Amtes für Umweltschutz, sagte bei der Veranstaltung von Haus & Grund in der Liederhalle: „Niemand wird Ihnen 2035 den Gashahn abdrehen.“ Die frühere entsprechende Aussage eines Mitarbeiters des Amtes sei überspitzt gewesen. Stuttgart will allerdings 2035 klimaneutral sein, und in den Planungen ist berücksichtigt, dass dann keine Emissionen aus fossilen Brennstoffen mehr entstehen.

Kosten
Neft betonte aber auch, dass Gas vermutlich immer teurer werde und dass das Land (2040) und auch der Bund (2045) trotz neuer Regierung an ihren Klimazielen festhielten. „Wer jetzt noch eine Gasheizung einbaut, geht signifikante Risiken ein“, so der Amtsleiter.

Kosten Ulrich Wecker, der Geschäftsführer von Haus & Grund Stuttgart, forderte die Stadt auf, Klarheit zu geben bezüglich der Zeitschiene für den Gasausstieg. Er kritisierte auch falsche Anreize im Stuttgarter Mietspiegel. Der erlaubte Zuschlag auf die Miete bei einer neuen umweltfreundlichen Heizung betrage nur 17 Cent pro Quadratmeter, der Zuschlag für eine umweltschädliche Klimaanlage dagegen 77 Cent.