Nach 33 Jahren in der Kommunalpolitik hört Helga Vetter in diesem Jahr auf. Die 74-jährige Plieningerin möchte sich dann anderen Dingen widmen. Und wenn ihr doch schrecklich langweilig wird, hat sie schon eine Idee.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Sie kann die Augen nicht von den Bienchen lassen. Das Volk sucht summend in den Backsteinen an der Hausmauer Unterschlupf. Helga Vetter hat von ihrem Schreibtisch aus eine gute Sicht auf den Insektenreigen in der Vormittagssonne. Ein bisschen früh vielleicht Anfang März, „aber ist doch nett“, sagt sie. Dann kommt die Frage, die sie fast schon so gut kennt wie Plieningen. „Warum? Das ist das Erste, was die Leute fragen“, sagt sie. Der Gemeinderat ohne Helga Vetter? „33 Jahre Kommunalpolitik, das langt doch, oder?“, auch diese Gegenfrage stellt die Christdemokratin nicht zum ersten Mal.

 

Politische Jahre im Schnelldurchlauf

20 Jahre Stuttgarter Gemeinderat, davor 13 Jahre im Bezirksbeirat Plieningen, in Helga Vetters Büro in ihrem Wohnhaus an der Roggenstraße hat sich über die Zeit einiges an Papier angesammelt. In den Regalen hinter ihrem Schreibtisch reihen sich Ordner an Ordner. Viel CDU, viel Klinikum Stuttgart, aber auch Themen wie das Großprojekt Stuttgart 21, Neue Messe und Haushalt hat sie hier stets griffbereit.

An der Wand hängen Fotos von den Kindern und den Enkeln, dazwischen Helga Vetters kommunalpolitisches Leben im Schnelldurchlauf. Sie hat ihre alten Wahlkampfkarten aufgehoben. Mal heißt es darauf „Mit Herz und Mut für Sie aktiv“, mal „Mit Mut und Sachverstand“. Auf allen Karten ist ein Hund dabei. „Ich liebe große Hunde“, sagt sie. Doch einen eigenen schafft sie sich nicht mehr an. „Das wäre unverantwortlich“, sagt Helga Vetter. Schließlich gehe sie auf die 80 zu.

Ihr ist gelungen, was vielen anderen versagt bleibt

Sie ist 74 Jahre – und keine gebürtige Plieningerin. Trotzdem ist ihr gelungen, was anderen verwehrt bleibt: Helga Vetter ist eine Plieningerin geworden. Obwohl sie nicht mal Schwäbisch schwätzt. „Das bilde ich mir auch gar nicht ein“, sagt sie. Vielleicht ist sie Plieningerin geworden, weil sie seit mehr als einem halben Jahrhundert im Ort wohnt, vielleicht weil sie einen echten Plieninger geheiratet hat, vielleicht weil sie so lange im Gemeinderat Plieningen vertreten hat. „Wenn ich was zu meckern habe, versuche ich zu ändern, worüber ich meckere“, sagt sie. Deshalb ist sie zunächst Elternbeirätin an den Schulen ihrer Kinder geworden und schließlich in die Lokalpolitik gerutscht. „Wo ist es interessant? Wo ist was los? Da hat es mich immer hingezogen“, sagt sie.

Zwischendurch schaut sie wieder zu den Bienen raus. Wie sie in der Sonne tanzen. „Ich bin froh, das ich aufhöre, das sage ich ganz ehrlich“, sagt Helga Vetter, als sie sich vom Anblick des Gewimmels losreißen kann. Dann hat sie endlich genügend Zeit, um all die Fotos einzukleben. „Der Schrank da hinten, der ist voll davon“, sagt sie. Überall stehen Schuhkartons mit Fotos drin. Darauf zu sehen: „Das Leben, unser Leben“, sagt sie. Aber eben ungeordnet, meckert sie. Das soll sich ändern.

Vielleicht bricht große Langeweile aus

„Ich habe alle Angebote abgewehrt“, erzählt Helga Vetter. Angebote für ihre Zeit nach der Politik. „Na ja, eines hab ich angenommen.“ Sie ist die Vorsitzende des Kuratoriums der Sophie-von-Priester-Stiftung. Und sie könnte sich vorstellen, sich irgendwann als Vorlesepatin zu engagieren. „Vielleicht, wenn in einem Jahr die große Langweile ausbricht“, sagt sie.

Plieningen ist ihre längste Lebensstation. Als Kind ist Helga Vetter viel rumgekommen und musste oft die Schule wechseln. Ihre Mutter war Schneidermeisterin, ihr Vater hatte eine leitende Position in der Bergbaubranche, und er wurde immer wieder versetzt. Die Familie war zum Beispiel in Schlesien, in Holstein und im Schwarzwald. Nach dem Abitur hat sie angefangen, Medizin zu studieren – und abgebrochen. Eine Entscheidung, die sie nicht bereut hat. „Ich habe mich nie zurückgesetzt gefühlt.“ Ihr Mann hat sich damals in der Immobilienbranche selbstständig gemacht, und sie ist ihm zur Seite gesprungen. Und dann sagt sie: „Ich bin von Beruf Hausfrau.“ Dann lacht sie. „Früher hatte das noch einen anderen Klang.“

Nun will der Sohn in den Gemeinderat

Helga Vetter hat eine Tochter und einen Sohn. Die Tochter ist nicht in die Politik, der Sohn schon. Carl-Christian Vetter ist der CDU-Sprecher im Plieninger Bezirksbeirat und tritt bei der Kommunalwahl für den Gemeinderat an. Er hat Listenplatz 15, so viele Christdemokraten sitzen derzeit im Rat. „Ich hoffe, dass es klappt“, sagt Helga Vetter. „Man lernt so viel fürs Leben.“ Dann schaut sie wieder zu den Bienen. Das emsige Treiben gefällt ihr. Vielleicht erinnert es sie ein bisschen an sich selbst.