Ein Held im Sprücheklopfen: Helge Thun wandelt zwischen den Welten der Zauberei und der komischen Poesie. Der Tausendsassa begeistert sein Publikum im Weil im Schönbucher Turnerheim mit urkomischen Gedichten und berührenden Einblicken in sein Seelenleben.

Weil im Schönbuch - Nicht jeder kann ein Held sein. Doch Helge Thun trägt das „Heldentum“ quasi fast im Namen, wenn man sich diesen genauer anschaut. Thun hat sich aber nicht auf die Disziplin des Schwertkampfs, sondern auf die Komik verlegt. Und die beherrscht der Comedian, Zauberer und Poet aus dem Effeff, wie er am Freitagabend im Turnerheim unter Beweis stellte.

 

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Dreier Anläufe hatte es in der Pandemie bedurft, bis der Kulturkreis Weil im Schönbuch Helge Thun auftreten lassen konnte. Aber dann – und wie: „Ich habe Nachholbedarf“, erklärt er. In der Corona-Krise stand er Autoscheiben gegenüber. Dem lautstark geäußerten Vertrauensvorschuss des Publikums belohnt er prompt mit einem Video über die perfekte Corona-Handhygiene. Der Magier wäscht sich dabei so gründlich, dass er auch gleich ein paar Fingerkuppen abtrennt – und sie ebenso rasch wieder ansetzt.

Comedian, Zauberer, Poet

Um das Heldentum soll es nun also gehen. Aber bereits in frühen Jugendjahren musste sich Helge Thun eingestehen, dass er es nur im Fach der Komik zu etwas bringen kann. Er studierte dann in Tübingen Germanistik und Anglistik und kreierte Reime im Stil Robert Gernhardts und Heinz Erhardts. Aber was heißt schon Held in einem postheroischen Zeitalter? In Corona-Zeiten arbeiten die Helden doch bei Amazon, Zalando oder der Deutschen Post, wie der Comedian treffend bemerkt. Er selbst ist Held im Sprücheklopfen: Ein Gedicht, in dem die Hamas, der Gaza-Streifen, Jerusalem, Tel Aviv und Märtyrer auftauchen und bei dem einem das Lachen nicht in der Kehle stecken bleibt? Kein Problem für den sprachfertigen Verseschmied, der sich einfach auf Autos und deren „Vergaser-Streifen“ bezieht. Freilich muss man Kalauer mögen. Ein anderes Beispiel für ein Thunsches Gedicht: „Die Frau schreit auf, der Mann kippt um, der Mann wacht auf, Geburt ist rum.“

Nachholtermine: Weil im Schönbuch bietet wieder Kultur

Helge Thun ist eine Art Hans-in-allen-Gassen: Zwischen 1990 und 2002 errang er diverse nationale und internationale Preise der Zauberkunst, und zugleich entwickelte er sich zwischen 1992 bis 2013 zum Urgestein des Tübinger Theatersports. Viele kennen ihn auch als Teil der Duos „Der Schöne und das Biest“ mit Heiner Kondschak aus den 90ern und Anfang 2002 (auch als ARD-Serie erschienen) oder „Helge und das Udo“ mit Udo Zepezauer. Seit dem Jahr 2013 lässt sich Thun außerdem in der Reihe „TauschRausch“ im Mauerwerk von skurrilen Haushaltsgegenständen der Zuschauer zu Improvisationen anregen.

In Weil in Schönbuch knüpft Helge Thun auch an seine magischen Anfänge an. Blitzschnell vervielfachen sich Seilenden, und Ringe trennen und verbinden sich miteinander, obwohl die Zuschauer sie doch so sorgfältig inspiziert haben. Thun findet außerdem auf magische Weise eine Karte und verwandelt die Augenzahlen großer Spielkarten. Den verschiedenen Klassikern der Zauberkunst gewinnt er auch mit zungenbrecherischen Reimen neue Dimensionen ab.

„Reimpatrouille“ Thun meldet sich

Der Kulturkreis Weil im Schönbuch konnte aufgrund der Pandemie nur wenige Veranstaltungen anbieten. Nun meldet er sich mit Nachholterminen wieder zurück. Die traditionelle Herbstausstellung im Rathaus muss leider dennoch entfallen. „Der Publikumsverkehr durch das Rathaus sollte in den Genuss der Ausstellung kommen“, so das Team um den ersten Vorsitzenden Gerd Kaufholz und die Stellvertreterin Brigitte Schick. Das ist in Corona-Zeiten nur schwer möglich. Übrigens hat die Pandemie bei Helge Thun auch neue schöpferische Kräfte freigesetzt: So rappt er als Personifikation der oft komplexen, manchmal banalen und mitunter auch unglaublichen Realität engagiert und gewitzt gegen die Querdenker an.

Gruß von Manni Mirakel

Helge Thuns neuester Streich ist die „Reimpatrouille“. Dabei handelt es sich um eine Comedy-Sendung, die Thun und zahlreiche Kollegen in Versen bestreiten und die in Reaktion auf Corona entstanden ist. Kostproben daraus präsentiert er auch an diesem Abend. Außerdem lernt das Publikum Manni Mirakel kennen, den wirrschöpfigen Ex-Zauberweltmeister. Bleibt Helge Thun zum Abschluss noch, die Zuschauer zum Kartenkauf zu ermuntern: „Es geht wieder los. Aber es müssen auch Leute kommen“, meint er.

Zu guter Letzt erfährt das Publikum, wer Helge Thuns wirklicher Held war: sein Großvater, der mit schlagfertigen Sprüchen wildfremde Menschen zum Prusten bringen konnte. Da scheinen dann auch berührend-poetische und persönliche Momente auf.