Im Werbesprech klingt die Idee bestechend: „Volocopter entwickelt elektrisch betriebene Flugtaxis, die die städtische Mobilität um die dritte Dimension erweitern werden.“ Derzeit sieht es allerdings so aus, als würde die Himmelsstürmer aus dem badischen Bruchsal unsanft auf dem Boden der Tatsachen landen, weil es ihnen an frischem Geld mangelt, um die noch für dieses Jahr angepeilte kommerzielle Einführung von elektrischen Flugtaxis voranzubringen.
Das Interesse ist nach wie vor groß – doch es mangelt an ausreichend Unterstützung von öffentlichen und privaten Investoren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) – der vor einem Jahr an der Eröffnung der Produktionsstätten teilgenommen hatte – will das Start-up laut Medienberichten zwar mit insgesamt 150 Millionen Euro und einem Darlehen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fördern.
Umzug aus Bruchsal nach Bayern in Erwägung gezogen
Bedingung ist aber, dass sich das Bundesland Bayern mit einer Kreditbürgschaft von bis zu 50 Millionen Euro beteiligt, sofern Volocopter in den Freistaat umzieht – denn das bisher zuständige Heimatland Baden-Württemberg mag offenbar nicht in die Bresche springen. Ein früheres Begehren des Start-ups aus dem Vorjahr, seitens der Landesregierung eine Bürgschaft über 150 Millionen Euro auf die Beine zu stellen, während der Bund weitere 150 Millionen Euro absichert, war in Stuttgart bereits abschlägig beschieden worden.
Geschürt wurde die grassierende Skepsis von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC), die voriges Jahr im Auftrag des Verkehrsministers ein Gutachten erstellt und darin von einem „Hochrisiko-Investment“ in den Elektrohelikopter-Hersteller gewarnt haben soll.
Landesregierung hat anteilige Finanzierung geprüft
Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hält sich auf Nachfrage lieber bedeckt, auch um die Vertraulichkeit der Gespräche mit dem Unternehmen zu wahren. Im Sommer 2023 habe sich Volocopter mit der Bitte um eine Finanzierung an den Bund gewandt, schildert sein Sprecher lediglich – in der Folge habe die Landesregierung die Möglichkeiten einer anteiligen Finanzierung geprüft. Im Ergebnis stünden dem Land für Finanzierungen der Art, wie sie in der aktuellen Phase von Volocopter benötigt werden, aber „keine passenden Instrumente zur Verfügung“. Das Land habe den Bund frühzeitig und mehrfach um Prüfung alternativer Finanzierungsinstrumente zugunsten von Volocopter gebeten.
So wirkt es, als erscheine der Landesregierung bei aller Aufgeschlossenheit für das Geschäftsmodell die Gefahr zu groß, dass viele Millionen an Steuergeldern verloren gehen, wenn das Flugtaxi wirtschaftlich nicht zum Fliegen kommt. Stehen die Stuttgarter nun als Bremser da – während sich die CSU in Bayern als Fortschrittsförderer wieder einmal aufführt? Bei genauerem Hinsehen ist das Bild differenzierter: In München hat Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kalte Füße bekommen, sodass ihm die CSU-Fraktion vorwirft, eine Bürgschaft und damit den Umzug des Start-ups nach Bayern zu blockieren – obwohl der CSU-Finanzminister Albert Füracker selbst große Bedenken dagegen hat.
Weil nun offenbar auch Bayern zur Absicherung ausfällt, läuten in Bruchsal die Alarmglocken: Sollte sich nicht noch eine Lösung finden und die privaten Anteilseigner des Unternehmens auf eine weitere Finanzierungsrunde einigen, „müssen wir in absehbarer Zeit eine Insolvenz in Betracht ziehen“, warnte Firmenchef Dirk Hoke am Donnerstag in der „Süddeutschen Zeitung“. Geht es jetzt schon um die Existenz?
Gibt es Probleme, privates Geld locker zu machen?
In der Politik fühlt man sich bestätigt, dass sich das Geschäftsmodell nicht wie erhofft weiterentwickelt. Warum auch gelingt es nicht, ausreichend privates Kapital locker zu machen? Im November 2023 hatte das Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha von einem breiten Konsortium eine halbe Milliarde US-Dollar (etwa 466 Millionen Euro) eingeworben. Mangelt es im Fall Volocopter an vergleichbarer Zuversicht in das Geschäftsmodell? Hoke zufolge konzentrieren sich die Finanzmärkte auf Firmen, „die bereits Umsätze erzielen, oder besser noch sogar schon Gewinne, es sei denn, es geht um Software oder künstliche Intelligenz“. Volocopter sei „in der ungünstigsten Kategorie, die man überhaupt nur haben kann“.
Doch kein kommerzieller Einsatz in Paris
Seine Devise ist es: „Wir müssen so schnell wie möglich fliegen, denn wir überzeugen die Bevölkerung nicht mit Ingenieursplänen am Reißbrett.“ Doch selbst dies ist schwer zu erreichen: Zwar darf Volocopter laut Luftfahrtbundesamt seine Zweisitzer-Flugtaxis vom Typ Volocity nun in Serie herstellen sowie Piloten ausbilden. Und es gibt eine Erlaubnis für Testflüge, doch fehlt die Musterzulassung durch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) für den regulären Passagierbetrieb. Zudem bleibt den Bruchsalern der erhoffte Prestigeerfolg, ein kommerzieller Einsatz bei den Olympischen Spielen in Paris, verwehrt. Jetzt ist nur noch von Schauflügen die Rede.