Halbzeit im Verfahren gegen Frank Hanebuth und andere Hells Angels in Spaniens Hauptstadt Madrid. Die Wahrheitsfindung ist ein zähes Unterfangen.
Eine Zeugin soll per Videoschaltung vernommen werden, aber kaum setzt sie zur ersten Antwort an, bricht die Verbindung zusammen. Ein paar Minuten geschieht nichts. Gemurmel im Gerichtssaal. Dann steht die Verbindung wieder. Auf die Fragen der Staatsanwaltschaft hat die Zeugin wenig Erhellendes zu sagen. Auf die Frage eines Verteidigers immerhin das: Nein, sie habe auf Mallorca nie als Prostituierte gearbeitet und sei schon gar nicht dazu gezwungen worden. Ende der Vernehmung. Nächste Zeugin.
Die Wahrheitsfindung ist ein mühsames Unterfangen in dem Prozess gegen Frank Hanebuth und andere mutmaßliche Mitglieder des Mallorquiner Hells-Angels-Chapters vor Spaniens Nationalem Gerichtshof. Das Verfahren begann am Montag vor zwei Wochen und ist an diesem Montag nach gut einwöchiger Pause wiederaufgenommen worden. Ein Beamter der Guardia Civil, der schon am Donnerstag vergangener Woche sieben Stunden lang Rede und Antwort gestanden hatte, muss noch einmal für knapp zwei Stunden in den Ring. Er ringt seine Hände, wenn er sich nicht mit ihnen durchs Gesicht fährt, um seine Müdigkeit oder seine Lustlosigkeit zu verscheuchen. „Es ist mir unmöglich, mich daran zu erinnern“, sagt er auf eine Frage, und auf das Nachhaken des Anwalts noch einmal: „Ich erinnere mich nicht.“
Die Ereignisse liegen elf, zwölf Jahre zurück
Es geht um Dinge, die elf oder zwölf Jahre zurückliegen. Was soll der Beamte heute noch über das hinaus beisteuern, was er damals in seine Ermittlungsakten schrieb? Wenn dieser Prozess etwas aufzeigt, dann sind es die Grenzen der Beweiskraft von Zeugenaussagen. Das menschliche Gedächtnis ist keine Festplatte, von der die Fakten nach Bedarf abgerufen werden können.
Der große Verhandlungssaal in San Fernando de Henares nahe Madrid ist nur spärlich besetzt. Von ursprünglich 49 Angeklagten sitzen hier nur noch zehn. Von vier Angeklagten weiß man nicht, wo sie sind. 35 andere haben sich auf Deals mit der Staatsanwaltschaft eingelassen: Geld- statt Haftstrafe im Gegenzug für ein Schuldeingeständnis.
Zu denen, die von einem Deal nichts wissen wollten, gehört Frank Hanebuth, der mutmaßliche Chef der mutmaßlichen Bande. Er sitzt in der ersten Reihe und langweilt sich, weil er kein Spanisch versteht. „Nada“, sagte er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin nach seinen Spanischkenntnissen am zweiten Verhandlungstag, „nichts“. Als Angeklagter muss er keine Fragen beantworten, nur die seiner Anwältin beantwortete er, was keine fünf Minuten dauerte. Auf Mallorca sei er immer nur zu Besuch gewesen, habe dort weder das Hells-Angels-Chapter angeführt noch irgendwelche Straftaten begangen.
Die wirklich spannende Frage dieses Verfahrens warfen mehrere Verteidiger an den ersten beiden Verhandlungstagen auf: nämlich die nach dem Ursprung der gesamten Ermittlungen. Im August 2011 gab ein Untersuchungsrichter grünes Licht für die Mitschnitte privater Telefongespräche, und die Anwälte legten ziemlich überzeugend dar, dass es für diesen Beschluss keinen ausreichenden Anfangsverdacht gab.