Bissig bis zuletzt: Henning Venske verabschiedet sich im Renitenztheater mit „Summa Summarum“ von der Bühne.

Stuttgart - Sie sind sehr liebenswürdig“, sagt er, als er nach dem Applaus nochmals vor sein Publikum tritt: „Liebenswürdiger als ich, aber dazu gehört ja auch nicht viel.“ Seiner geringen Liebenswürdigkeit zum Trotz wird man ihn vermissen. Henning Venske hat am Donnerstabend sein Abschiedsprogramm „Summa Summarum“ im Renitenztheater gespielt. Mit ihm verlieren die deutschsprachigen Bühnen einen dieser brillanten Satiriker, die im leider oft zu ruhigen Kabarettmeer leuchten wie Feuerquallen.

 

„Summa Summarum“ ist allerdings keine Selbstbetrachtung, kein Rückblick aufs Lebenswerk des 79-Jährigen. Vielmehr fasst Venske die deutsche Nachkriegsgeschichte zusammen. Die Geschichte der deutschen Demokratie. Ausgehend von einer Zeit, in der „Gehirn bei Frauen als genauso überflüssig wie Brustwarzen bei einem Mann“ und „die Ohrfeige als äußerst nützliches Kommunikationsmittel im Umgang mit Kindern“ galt. Über Politgrößen wie Heinrich Lübke, den „sauerländischen Turborhetoriker“. Walter Scheel, die „trinkfreudige Stimmungskanone“. Und Christian Wulff, den „präsidialen Bundesschnorrer“. Bis hin zu aktuellen Politentwicklungen, zum Beispiel „Adolfs fiese Dumpfbacken“ – unklar, welche Partei Venske damit gemeint haben könnte. Der Musiker Frank Grischek, langjähriger Bühnenpartner Venskes, begleitet derlei Invektiven auf dem Akkordeon. Zu Beginn vernimmt man das berühmte Motive aus Richard Strauß‘ „Also sprach Zarathustra“.

Die Abendgage wird ihm fehlen

Über Henning Venske selbst erfährt man im Abschiedsprogramm aber eben nicht viel. Zu seiner eigenen Geschichte fällt kaum ein Wort. Stuhlweichmacher nehme er jetzt. Die bereiteten Probleme beim Treppensteigen. Beim Husten. Oder beim Lachen. Aber letzteres täte er eh nie. Das stimmt. Lediglich die Zuschauer lachen. Er selbst zieht bestenfalls mal eine Augenbraue in die Stirn. Was wird ihm im Anschluss an seine letzte Tour fehlen? „Wenn ich mal von der Abendgage absehe: Nix!“, so Venkse im Interview.

Womöglich ist aber auch alles, was die Öffentlichkeit über Venske wissen muss, längst bekannt. Als Schauspieler in Berlin gestartet, avancierte er zum Moderator und Autor für Funk und Fernsehen. Und ob seiner scharfen Formulierungen zum „meistgefeuerten Satiriker Deutschlands“. Wobei es sich bei diesem Slogan lediglich um sehr gutes Marketing handelte. Venske: „Dieses Bonbon ‚meistgefeuerter Satiriker‘ war der Werbegag für ein Buch. Ausgedacht hat sich die Formulierung der Kollege Gerd Wollschon. Fakt ist: Ich habe sehr viel häufiger gekündigt als mir gekündigt wurde.“ Neue Jobs bekam er immer: Unter anderem als Chefredakteur der Satirezeitschrift „Pardon“ und im Ensemble der Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

Seine bisweilen radikalen Ansichten hat er sich bewahrt. Die Existenz von Millionären sei angesichts von Millionen Hungernden „eine groteske Fehlentwicklung unserer Spezies“. Für einen, der sich selbst jener links-alternativen Szene zurechnet, die seit den Sechzigern bedeutende soziale Fortschritte angestoßen hat, müssen die reaktionären, nationalistisch aufgeladenen Debatten der Gegenwart entsetzlich sein: „Nicht die Politik verdirbt den Charakter, sondern miese Charaktere verderben die Politik.“ Doch Venske bespaßt seine Hörer nie nur mit Allgemeinplätzen. Vergnügt verunsichert er stets auch das sich progressiv wähnende Publikum. Ein Schnauben erklingt auf manchen Sitzen, wenn Venske solche Sätze schießt: „Man kann schon sehr stolz sein auf Deutschland. Wenn man keine besonderen Ansprüche stellt.“

Immerhin: Er ist nicht aus der Welt. Venske schreibt ja noch. Im nächsten Jahr, zum 80. Geburtstag, soll „Summa Summarum“ als Buch erscheinen. Vielleicht verrät er darin etwas mehr über sich. Die ein oder andere Unbekannte birgt der Mann garantiert noch. Denn: Den Befürwortern der Telekommunikationsüberwachung entgegnete er im Renitenztheater gewohnt charmant: „Wer nichts zu verbergen hat, ist ein langweiliger Vollidiot.“ Henning Venske ist das genaue Gegenteil.