Erst Chefredakteur von „Mad“, dann Partner von Harald Schmidt in „Schmidteinander“ – der Humorist und Satiriker Herbert Feuerstein erzählt von seinem bewegten Leben. Titel seiner Autobiografie: „Die neun Leben des Herrn F.“

Stuttgart - Wenn Herbert Feuerstein in der Kultsendung „Schmidteinander“ vom einen Kopf größeren Harald Schmidt runtergeputzt wurde, hatte man Mitleid mit dem schmächtigen Österreicher. Dabei war das gar nicht nötig, denn die entsprechenden Sketche stammten von Feuerstein selbst. Die Rolle als kleiner Mann in der zweiten Reihe, der sich willig demütigen lässt, war ihm also in jeder Hinsicht auf den Leib geschrieben – und just so, als devoter Blitzableiter, sieht er sich auch selbst, wie er in seiner Autobiografie „Die neun Leben des Herrn F.“ gesteht. Dabei ist das Leben des mittlerweile 77-jährigen Österreichers ähnlich wie bei Woody Allen von Erfolgen geprägt. In der Binnensicht aber sieht sich Feuerstein, der mit seiner dritten Frau, einer Journalistin, bei Köln lebt, als fast schon tragische Figur. Zum Glück aber schildert er die Schattenseiten seiner Persönlichkeit – auch das eine Parallele zu Woody Allen – mit so viel ironischer Larmoyanz, dass die Lektüre des Buches ausgesprochen heiter ist.

 

In schonungsloser Offenheit entlarvt sich der studierte Musiker als regelrechtes Angstbündel. Die damit verbundenen Panikattacken hatten zur Folge, dass Feuerstein während seiner Zeit als Journalist im New York der sechziger Jahre einen „Ghostwriter“ bat, an seiner Stelle Konzerte zu besuchen, weil er sich vor dem Gedränge fürchtete. Selbst solchen Erzählungen gewinnt er jedoch komische Seiten ab. Gleiches gilt für seine Kindheit während des Zweiten Weltkriegs, obwohl es da nicht viel zu lachen gab: Beide Eltern waren Nazis, der Vater bekleidete ein hohes Ehrenamt in der NSDAP, die lieblose Mutter war Blockwart. In einer der letzten Bombennächte fühlte der kleine Herbert zum ersten Mal „die Angst vor dem Unbekannten, vor dem Kontrollverlust“. Aus lauter Furcht vorm Fliegen hat er später sogar den Pilotenschein gemacht. Trotzdem ist „die dunkle Materie“ seines Bewusstseins, die sich in einem „Hang zu Düsternis und Selbstquälerei“ äußert, seit jenen Jahren ein ständiger Begleiter. Die grundsätzliche Lebensfurcht hat ihn bis heute nicht verlassen. Fast zwanghaft, schreibt er, baue er sich immer wieder neue Welten auf, und wenn er beginne, sich wohl zu fühlen, verlasse er sie wieder und verwische alle Spuren.

Missionar des Zweifels

Womöglich auch zur Verarbeitung dieser düsteren Anwandlungen suchte der in Bischofshofen bei Salzburg aufgewachsene Feuerstein schon früh die Öffentlichkeit, indem er für die Kinder aus der Nachbarschaft selbst verfasste Marionettenstücke vorführte; gegen Eintritt, versteht sich. Aller behaupteten Lebensuntüchtigkeit zum Trotz verstand es der spätere Humorist ohnehin stets, seine Haut zu Markte zu tragen. Nachdem er 1971 die Chefredaktion des deutschen „Mad“ übernommen hatte, verzichtete er auf eine Gehaltserhöhung und ließ sich stattdessen am Umsatz beteiligen. Die Auflage stieg auf 300 000 Exemplare. Das satirische Comic-Heft, das nie wieder so gut war wie in der zwanzig Jahre währenden Ära Feuerstein, verbreitete damals, wie er schreibt, eine „Mischung aus Einsamkeit, Verstörung und Größenwahn“ – kein Wunder, dass er als „Missionar des Zweifels“ der perfekte Chef für ein Magazin war, das lustvoll mit Tabus brach.

Bereits während seiner Zeit bei „Mad“ hatte er seine ersten Fernsehauftritte, aber ins Rampenlicht rückte er durch die Zusammenarbeit mit Harald Schmidt, erst in der Rateshow „Pssst . . .“, dann in der WDR-Kultcomedy „Schmidteinander“, beides ab 1990. Die Begegnung mit Schmidt führte zu einer Hassliebe auf den ersten Blick, aber wer in der Autobiografie auf schmutzige Wäsche hofft, wird enttäuscht. Feuerstein setzt sich zwar sehr distanziert mit den vier gemeinsamen Jahren auseinander, aber er wirft dem Entertainer keinen Dreck hinterher. Dafür habe er ihm zuviel zu verdanken, wie er einräumt.

Krummes Rückgrat, aufrechter Gang

Dank „Schmidteinander“, ab 1994 im „Ersten“, lernte Feuerstein auch die Schattenseiten des Ruhms kennen. Dass man ihn auf der Straße erkennt, ist ihm schon unangenehm genug, aber „Galas und rote Teppiche sind der blanke Horror“. Damit muss er seit fast 25 Jahren leben, zumal zur TV-Prominenz auch noch diverse Bühnenauftritte hinzukamen, etwa als Frosch in der „Fledermaus“ oder als Teufel im „Jedermann“. Nun spielte auch die Musik wieder eine Rolle in seinem Leben. Im Herbst 2010 musste er allerdings feststellen, dass „die Treppenstufen immer höher“ werden: Sein Rückgrat, stellte ein Arzt fest, sei „krumm und verschlissen“. Er fürchte den Tod, schreibt Feuerstein – und plädiert für ein selbstbestimmtes Sterben. Sein Lebensfazit hat er bereits gezogen, im Großen und Ganzen fällt es trotz aller Düsternis positiv aus – mit der Einschränkung, dass er sich zu selten getraut habe, seine Neugier selbst zu steuern. Dafür hat er allerdings eine ganze Menge erlebt.