Mercedes, Audi und BMW wollen Internetkonzernen wie Google das Feld nicht kampflos überlassen. Dass sich beim Kauf des Kartendienstes Here aber Unternehmen zusammentun, die sich eigentlich als Konkurrenten verstehen, wird wohl zu kritischen Fragen führen.

Stuttgart - Die deutsche Autoindustrie nimmt die Herausforderung an. Mit dem Kauf des Kartendienstes Nokia Here signalisieren die deutschen Oberklasseanbieter Mercedes, BMW und Audi, dass sie gewillt sind, ihr Terrain zu verteidigen. Durch die Verknüpfung von Autos mit dem Internet und durch den Trend zum autonomen Fahren, der gegenwärtig in Form von Fahrerassistenzsystemen noch in den Anfängen steckt, wächst auf einmal Konzernen Kompetenz zu, die mit der Herstellung von Fahrzeugen überhaupt nichts zu tun haben. Ob sich dies zu einem Kampf der Giganten à la Daimler gegen Google entwickeln wird, ist überhaupt noch nicht absehbar. Aber dass Konzerne, die gemessen am Börsenwert zu den wertvollsten Unternehmen der Welt gehören, in die deutsche Domäne Autoindustrie eindringen könnten, ist schon alarmierend genug. Dass es auch die Chefs in Stuttgart, München und Ingolstadt alarmiert, ist ein gutes Zeichen.

 

Andererseits ist Angst ein schlechter Ratgeber, wenn es darum geht, das eigene Terrain abzustecken. Wichtiger ist, was die Branchengrößen aus dem Kartendienst machen können, ob es gelingt, ihn zu einem entscheidenden Baustein für die Mobilität der Zukunft zu machen, wie es Daimler-Chef Dieter Zetsche vorschwebt. In gewisser Weise betritt die Industrie damit Neuland, denn die Frage, wem Nutzerdaten eigentlich gehören, wer sie verbreitet, wer Zugriff darauf hat und wer das alles kontrolliert, musste die Industrie bisher nicht mit Vorrang interessieren. Künftig wird es zu einem der zentralen Anliegen der Hersteller gehören müssen, für Sicherheit auf diesem Gebiet zu sorgen – auf dass sich künftig nicht im Alltag ein Auto in Bewegung setzt, weil Hacker es geentert haben. Auf dieses verminte Gelände wird sich die Industrie gleichwohl begeben müssen, sollen die Absatzchancen für die eigenen Produkte nicht schrumpfen, denn dass der Trend in Richtung autonomes Fahren geht, scheint ausgemacht zu sein.

Der Schritt der deutschen Autobauer beweist Mut

Den Kaufpreis für Nokia Here in Höhe von 2,5 Milliarden Euro kann das deutsche Triumvirat ohne Weiteres aufbringen; hierin liegt das geringste Risiko. Der schwache Börsenkurs von Nokia zeigt, dass die Finnen eigentlich auf mehr Geld gehofft hatten. Kein Wunder: einst hatte Nokia alleine für die US-Navigationsfirma Navteq umgerechnet 5,8 Milliarden Euro gezahlt (2007). Noch nicht recht abschätzbar ist der Aufwand, der künftig getrieben werden muss, damit aus einer Straßenkarte ein digitales Abbild des Verkehrs in Echtzeit wird.

Aber zunächst einmal brauchen die Autohersteller die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden. Dass sich Unternehmen zusammentun, die sich eigentlich als harte Konkurrenten verstehen, wird zu Recht einige kritische Fragen auslösen: Soll hier ein Kartell aufgebaut werden mit dem Zweck, den Zugang für alternative Anbieter abzuschotten und zu verhindern, dass sich hier in Zukunft ein Markt für eigenständige Dienstleistungen entwickelt? Nach dem Verständnis von Daimler, Audi und BMW handelt es sich um eine Allianz im vorwettbewerblichen Bereich, vergleichbar mit der Vereinbarung von Standards und Normen.

Das ist eine plausible Sichtweise, aber nicht die einzige. Zudem sind die deutschen Konzerne in der Autowelt nicht alleine. Dass sich Toyota, General Motors und Honda da so ohne Weiteres anschließen, ist nicht zu erwarten. Sie sind bis jetzt schon Here-Kunden und werden keinen Gefallen daran finden, die Kassen der Konkurrenz zu füllen. Andererseits ist schwer vorstellbar, wie Here als Karten-Projekt der gesamten Industrie mit Mitsprachemöglichkeiten für alle funktionieren soll.

Gerade wegen der vielen Unwägbarkeiten beweist der Schritt der deutschen Autobauer Mut. Es ist in der jüngeren Vergangenheit nicht allzu häufig vorgekommen, dass die heimische Industrie den Wandel der Branche so stark vorangetrieben hat.