Für den neuen Studiengang der Wirtschaftsinformatik am Herman Hollerith Zentrum in Böblingen gibt es erst zehn Bewerber. Die Zwischenbilanz nach vier Jahren fällt dennoch insgesamt positiv aus.

Böblingen - Das Studien- und Forschungsangebot am Böblinger Herman Hollerith Zentrum (HHZ) wird immer besser angenommen. Der Masterstudiengang Digital Business Management startete vor zwei Jahren mit sieben Studenten und ist im Sommersemester mit 15 Studierenden bei 20 Plätzen ganz gut ausgelastet. Im Fach Services Computing sind laut dem HHZ-Leiter Andreas Rossmann sämtliche Studienplätze belegt. Inzwischen haben 43 Absolventen das Masterstudium erfolgreich abgeschlossen, zurzeit sind in dem Fach 85 eingeschrieben. Die Studenten befassen sich mit der Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen, mit Beratungsmethoden, dem Datenmanagement (Big Data) sowie der Gestaltung innovativer IT-Architekturen.

 

„Unsere Studienabgänger können sich vor Jobs kaum retten“, sagt Roßmann. Jeder der Absolventen habe sofort vier, fünf oder sechs Angebote gehabt. Die Arbeitgeber sind in der Regel Firmen wie Daimler, Bosch, Hewlett Packard und IBM, die als Kooperationspartner mit im Boot sind und Praktika sowie Forschungsprojekte unterstützen.

24.000 Euro pro Student

Auch der Innenminister des Landes, Thomas Strobl (CDU), stellte kürzlich bei einem Besuch fest: „Die Studenten gehen ja weg wie warme Semmeln“, so hoch sei die Nachfrage nach geeigneten IT-Nachwuchskräften. Für das Fach Services Computing werden im übrigen keine Studiengebühren erhoben. „Wir könnten noch mehr ausbilden, wenn das Land uns noch mehr Geld dafür geben würde“, sagt Rossmann.

Das Masterprogramm Digital Business Management (DBM) ist im Gegensatz dazu ein Weiterbildungsstudiengang. Die Teilnahmegebühr liegt bei insgesamt 24.000 Euro pro Student. Sie werden zumeist von einem der kooperierenden Unternehmen an das HHZ geschickt. Die Partnerunternehmen finanzieren in der Regel ein Studium eines DBM-Absolventen in vollem Umfang. Im Fokus stehen in dem Fach die Entwicklung und Umsetzung von digitalen Geschäftsmodellen, die Softwareentwicklung und das Management des Unternehmenswandels. Roßmann nennt auch ein Beispiel: Große Warenketten müssten sich zunehmend auf den Online-Handel einstellen, das habe Auswirkungen auf die Supermärkte vor Ort und nicht zuletzt auf die Anzahl und die Gestaltung von Arbeitsplätzen. Auch dazu wird am HHZ geforscht. 40 Studierende befassen sich derzeit am HHZ im Fach mit dem digitalen Wandel.

Lerninhalte sind nicht deckungsgleich

Absolventen der Akademie für Datenverarbeitung (ADV) an der Sindelfinger Gottlieb-Daimler-Schule 2 können zudem künftig nach dem Abschluss der dreijährigen Ausbildung zum staatlich geprüften Informatiker am HHZ einen Bachelorabschluss in Wirtschaftsinformatik machen. Dadurch könnten bei voller Ausbaustufe weitere 120 Studienplätze in Böblingen entstehen. Die Gesamtkapazität am HHZ soll damit bis 2020 auf insgesamt 300 Studienplätze ausgebaut werden. Bisher haben sich aber erst zehn Bewerber für den Bachelor gemeldet, rund 40 Plätze gibt es. Die Studenten sollen die Wirtschaftsinformatik im zweiten Semester beginnen, weil sie von der ADV Vorkenntnisse mitbringen. Doch gibt es laut Roßmann ein Problem: Die Lerninhalte der ADV und der Wirtschaftsinformatik sind nicht deckungsgleich. Da müssen wir noch eine Lösung finden.“

Das HHZ selbst hat bisher lediglich vier Professorenstellen, viele Dozenten kommen von der Universität Reutlingen, wo auch manche Seminare stattfinden. Auch bei der personellen Ausstattung am HHZ sieht Rossmann noch Luft nach oben.

Kreis und Stadt Böblingen haben den Start ermöglicht

Anschubfinanzierung: Der Landkreis Böblingen stellt dem Herman Hollerith Zentrum (HHZ) das Gebäude sowie die technische Infrastruktur zur Verfügung. Er beteiligt sich gemeinsam mit der Stadt Böblingen zehn Jahre lang an den laufenden Kosten. Die jährliche Anschubfinanzierung des Kreises beläuft sich auf 230.000 Euro, der Zuschuss der Stadt pro Jahr beträgt 170.000 Euro. Die Unterstützung wird seit dem Jahr 2013 bezahlt.

Landesförderung: Das HHZ, eine Außenstelle der Universität Reutlingen, wird im Rahmen des Landesprogramms „Master 2016 – Ausbau der Hochschulen“ gefördert. Den Masterstudiengang Services Computing können jährlich 50 Studenten belegen, weil das Land die Kosten für 25 Studienplätze trägt. Zudem können zwölf Promotionsstellen angeboten werden, die vom Land jeweils mit 15.000 Euro unterstützt werden. Den Doktoranden steht die gesamte Server-Ausstattung der Uni Reutlingen zur Verfügung.

Kooperation: Das HHZ arbeitet in Forschung und Lehre inzwischen mit folgenden Einrichtungen zusammen: Den Universitäten in Stuttgart, Tübingen, Rostock und St. Gallen, mit der Harvard Business School in Boston, dem Indian Institute of Management in Bangalore, dem MIT Center for Digital Business in Cambridge und der Max-Planck-Gesellschaft.