Das Landratsamt präsentiert sein Fledermaus-Schutzkonzept für die Hermann-Hesse-Bahn.
Calw - Renate Fischer muss da gar nicht lange nachdenken. „Ich bin ein Mensch, der was bewegen will“, sagt sie. Und: „Ich bin ein absoluter Natur-Mensch.“ Auf dem Weg zum alten Hirsauer Bahntunnel ist viel Natur, Hecken und Sträucher wuchern. Dass hier vor vielen Jahrzehnten einmal große Dampfloks von Calw in Richtung Stuttgart gehämmert haben, kann man sich kaum vorstellen.
Genau hier wollte der Landkreis Calw von Dezember 2018 an seine Hermann-Hesse-Bahn zwischen Calw und Renningen pendeln lassen. Dass das sich wahrscheinlich verzögert, dafür ist die Natur verantwortlich und ein bisschen auch Renate Fischer.
Nabu-Landesvorstand in Stuttgart hat übernommen
Denn dass die vielen Fledermäuse in den jahrhundertealten Bahntunneln durch die Bahn gefährdet werden könnten, hat der Calwer Ortsvorsitzenden des Naturschutzbunds (Nabu) nicht behagt. „Ich bin zu allen Infoveranstaltungen gegangen“, erinnert sie sich. „Aber irgendwann war klar, dass das Fass für uns hier vor Ort zu groß ist.“
Der Nabu-Landesvorstand in Stuttgart hat übernommen – und die ganz großen Geschütze aufgefahren. Im August 2016 schließlich hat er Klage gegen die Hesse-Bahn beim Verwaltungsgericht Mannheim eingereicht, seitdem liegt das Projekt weitgehend auf Eis. Bis ein Urteil vorliegt, darf der Landkreis Calw nicht weiterbauen.
Solange müssen der Kreis und sein Hesse-Bahn-Chefplaner Michael Stierle aber möglicherweise gar nicht warten. Er hat jetzt ein Konzept präsentiert, mit dem die Fledermäuse trotz Bahnbetrieb geschützt werden könnten. „Wir wollen die Koexistenz von Bahn und Fledermäusen“, sagt er und nennt es selbst die „Quadratur des Kreises“, die hier gelungen sei.
In den Tunnel soll nämlich eine „Kammer“ – eine Art zweiter Tunnel – eingebaut werden. Die Züge werden dann durch die Kammer brausen und stören auf diese Weise die Fledermäuse im Gemäuer des alten Tunnels nicht. Das ist möglich, weil der Tunnel früher zweigleisig gebaut war, heute aber nur noch ein Gleis benötigt wird.
Ergebnis einer Moderation beim Verkehrsministerium
Bisher sah das Fledermausschutzkonzept des Landkreises Calw vor, Ersatzquartiere zu schaffen – wohin die Tiere dann eben umziehen müssen, oder umgesiedelt werden sollen. Die jetzt vorgestellten Kammern sind das Ergebnis einer Moderation beim Verkehrsministerium. Der Minister Winfried Hermann (Grüne) hatte sich Anfang des Jahres eingeschaltet, weil ihm überhaupt nicht gefiel, wie hier ein Naturschutzverband eines der wenigen Schienenprojekte seiner Amtszeit gefährdet. Bis Juli hatten Calw und der Nabu daraufhin unter professioneller Moderation die Köpfe zusammengesteckt.
Und wenn diese Kammern funktionieren, könnten sie Schule machen. „Wir sehen das als Pilotprojekt“, sagt Michael Stierle. „Es gibt viele alte Tunnel, die vor der Sanierung stehen.“ Ob sie aber funktionieren, das haben bis Donnerstag Fledermaus-Experten getestet. Vor dem alten Hirsauer Tunnel standen dafür grüne Netze, die eigentlich Erdbeerbauern zum Schutz ihrer Früchte verwenden. Später dann endet die Kammer nicht am Ende des Tunnels, sondern wird noch 80 Meter weiter gezogen – so sollen die Fledermäuse in die richtige Kammer finden. Denn die Fledermäuse unternehmen ihren Anflug auf den Tunnel erst am Tunneleingang – und nicht schon 80 Meter davor. „Wir haben festgestellt, dass ab 80 Metern die Schwärmaktivität der Tiere rapide abnimmt“, formuliert es Stierle.
Derzeit werten die Gutachter die zahlreichen Daten aus, um zu ermitteln, ob die Fledermäuse das tatsächlich tun. Etwa 50 000 Euro gibt der Landkreis Calw für das Experiment aus – und verhandelt mit dem Land, ob es sich später an den Kosten für die aufwendigen Kammern beteiligt. Renate Fischer jedenfalls ist glücklich. „Ich hab ein gutes Gefühl“, sagt sie. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es funktioniert.“