Bürgerinitiative und Nabu ermöglichen einen Blick in den Hirsauer Tunnel, durch den bald die Hermann-Hesse-Bahn fahren wird. Dort wurde ein extra Quartier für die Tiere eingerichtet.

Einmal einen Eisenbahntunnel von innen besichtigen: Diese seltene Chance haben die Bürgeraktion unsere Schwarzwaldbahn (BAUS) und die Calwer Sektion des Naturschutzbundes Nabu einigen Interessierten bei einer Führung durch den Hirsauer Tunnel an der künftigen Hermann-Hesse-Bahn ermöglicht. In dem 150 Jahre alten Gewölbe konnten die Teilnehmer nicht nur Wissenswertes über die Bauarbeiten für die Hesse-Bahn erfahren, sondern ebenso den neuen Ersatzstollen für die Fledermäuse besichtigen.

 

Nach der Klage folgt die Einigung

Bei der Hesse-Bahn handelt es sich um die Reaktivierung der ehemaligen Schwarzwaldbahn, die in den 1980er Jahren stillgelegt worden war. Bereits zu aktiven Zeiten hatten sich in den Bahntunneln Fledermäuse angesiedelt, vermehrt nach deren Stilllegung. Mit einer Reaktivierung der Tunnel hätten die Tiere ihren Lebensraum verloren, weshalb der Nabu vor einigen Jahren gegen die Hermann-Hesse-Bahn geklagt hatte. Letztlich einigten sich die Parteien auf eine Kompromisslösung: Für die Fledermäuse sollten in den Tunnelgewölben spezielle Kammern angelegt werden, damit die Tiere trotz der Nutzung durch die Bahn einigermaßen in Frieden dort weiterleben können. „Wir wollen zeigen, dass das Miteinander von Eisenbahn und Naturschutz funktionieren kann“, nennt der Leonberger Hans-Joachim Knupfer, Sprecher der Bürgerinitiative, den Grund für das Besichtigungsangebot.

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Momentan pausieren die Sanierungsarbeiten in dem mächtigen, mehr als einen halben Kilometer langen Tunnelgewölbe aus Hirsauer Buntsandstein, wo nun Steinquader für Steinquader und Fuge für Fuge abgeklopft und durch einen Fachbetrieb wieder ergänzt wird. „So ein Besichtigungstermin klappt nur im engen Zeitfenster, wenn die Winterphase der Fledermäuse gerade vorbei ist und bevor die Bauarbeiten im Tunnel wieder weitergehen“, erklärt Holger Schwolow, Technikchef des kommunalen Zweckverbandes Hermann-Hesse-Bahn.

In der Fledermauskammer wird etwa ein Drittel des Tunnelquerschnitts bis unter den Gewölbescheitel druckdicht abgegrenzt, sodass dieses verbleibende Raumvolumen weiterhin komplett den Fledermäusen vorbehalten bleibt. „Dort werden sie vom Zugverkehr nicht gestört“, sagt Holger Schwolow. Zahlreiche weitere Vorbereitungen, wie extra wieder geöffnete Mauerfugen oder nun eingebaute Hohlblocksteine, sollen den Tieren in diesem Längsabschnitt des Tunnels noch besseren Lebensraum bieten als bisher.

Der Tunnel wird zur „Fledi-Disco“

Die neue Kammer könnte sogar ein Prototyp für ähnliche Fälle sein, wenn die Verhältnisse vergleichbar sind, sagt Renate Fischer vom Nabu Calw. „Wir sind sehr froh, dass die Diskussion letztlich mit diesen Kompromissen einen sehr guten Abschluss gefunden hat.“ Ob die Tiere das auch so sehen, wird sich noch zeigen. Denn laut Renate Fischer bildet ein alter Eisenbahntunnel, vor allem mit dieser Dimension wie in Hirsau, nicht nur ein sehr wertvolles Winterquartier, sondern im Herbst auch „einen fantastischen Schwärmplatz für die Fledermäuse, das ist wie eine Art Fledi-Disco!“ Denn da gehe es wie im richtigen Leben auch bei den Fledertieren um Sozialkontakte und Partnersuche. „Es überwintern hier vielleicht 700 Tiere, aber in der Schwärmphase tummeln sich Tausende.“

Da den Tieren selbst mit der neuen Lösung nur noch ein Teil ihres ursprünglichen Lebensraums zur Verfügung steht, wurde zusätzlich nahe dem Tunnel noch ein Ersatzquartier angelegt. „Auch wenn Fledermäuse sehr standorttreu sind, sind die Jungtiere auch neugierig und haben das Ausweichquartier bereits erkundet“, sagt Renate Fischer. „Die ersten Exemplare wurden hier im vergangenen Winter schon gezählt.“

Genug Platz für eine Elektrifizierung

Im Hirsau-Tunnel selbst sei trotz der großen Kammer immer noch genügend Platz für den vorgeschriebenen Fluchtweg, betont Schwolow, „sogar für eine mögliche spätere Elektrifizierung der Bahnstrecke mithilfe einer Deckenstromschiene im Tunnel“. Das ist bedeutsam, da in dem gemeinsamen Eckpunktepapier unter anderem vom Verband Region Stuttgart und dem Kreis Calw vorgesehen ist, dass die Bahnstrecke nach Calw langfristig elektrifiziert und damit für S-Bahnen befahrbar werden soll. Die Hesse-Bahn wäre damit nur eine Zwischenlösung, bis Calw irgendwann ins Stuttgarter S-Bahn-Netz integriert werden kann.